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Rodelinda Libretto
Deutsch Übersetzung

Ouverture

Menuett

Die Handlung spielt im Königspalast in Mailand.

ERSTER AKT

SZENE 1

Rodelindas Gemach.
Rodelinda sitzt weinend auf einem Stuhl.


Nr. 1 - Arie

RODELINDA
Ich habe meinen teuren Gatten verloren.
und da ich nun in meinem Unglück allein bin,
wächst mein Kummer immer mehr.

Grimoaldo und Garibaldo treten mit Wachen auf

Rezitativ

GRIMOALDO
Königin!

RODELINDA
Grimoaldo,
unter diesen Umständen
kränkt mich der Titel einer Königin,
kommt er von dir, der mir Krone und Gatten raubte.

GRIMOALDO
Gatten und Krone
will ich die wieder geben.

RODELINDA
erhebt sich
Wie das?

GRIMOALDO
Solange
Bertarido, dein Gatte, noch lebte.
verbarg ich dir meine Liebe.
Nun, da sein Tod
meine Aussichten begünstigt,
sollst du die Flamme in meinem Herzen sehen.

RODELINDA
Was höre ich? Genügt es dir nicht,
dass du mir Krone und Gatten nahmst, trachtest du
auch noch, Schurke, nach meiner Ehre?
Nein, Grimoaldo, ich weise dieses Geschenk ab;
lass mir meine Ehre und begnüge dich mit dem Thron.


Nr. 2 - Arie

RODELINDA
Die herbe Grausamkeit des Schicksals
kann mich nicht ehrlos machen,
auch wenn sie mich unglücklich machte,

Und du, grausamer Tyrann,
versuchst umsonst, mich zu besänftigen,
während du mich in Fesseln hältst.

Die herbe Grausamkeit des Schicksals usw.

ab


SZENE 2

GRIMOALDO
Herzog, sahst du je schönere Verachtung?

GARIBALDO
Noch nie sah ich, o Herr, grösseres Leiden
als das deine.

GRIMOALDO
Ich fürchte, sie zu erzürnen.
Die Ruhe meines Herzens
bestürmen Eduige und Rodelinda,
diese durch Hass und jene durch Liebe.

GARIBALDO
Durch Strenge kannst du beide bezwingen.

GRIMOALDO
Wie?

GARIBALDO
Missachte Eduiges
lästige Zuneigung; und Rodelinda
soll dich wider Willen fürchten und lieben.

GRIMOALDO
Ich habe nicht das Herz dazu.

GARIBALDO
Überlasse mir diese Aufgabe.
und du darfst hoffen,
sie bald weniger stolz zu erleben.

GRIMOALDO
Hier kommt Eduige.

GARIBALDO
Beginne sogleich bei ihr,
meinen Rat zu befolgen.

Eduige tritt ein.


SZENE 3

Rezitativ

EDUIGE
Wie
hochmütig bist du geworden, seit du König bist,
treuloser Grimoaldo!

GRIMOALDO
Seit ich König bin, wurde ich untreu,
um gerecht zu sein.
Ich bot dir meine Hand, du verschmähtest sie;
nun bietest du mir die deine, und ich weise sie zurück:Gib dich damit zufrieden!
Auf den Thron rufe ich die Frau, die mir besser gefällt.


Nr. 3 - Arie

GRIMOALDO
Ich liebte dich einst, doch du warst spröde,
verschmähtest, meine Gattin zu werden,
wiesest mich stets ab.

Nun, da ich König bin, will ich
auf dem Thron keine Gefährtin,
die sich mir versagte.

Ich liebte dich einst, usw.

ab


SZENE 4

Rezitativ

EDUIGE
zu Garibaldo
Du sagst, du liebst mich? Du hast ein Herz
und ein Schwert, und du hörst und duldest,
dass man mich schmäht, mich beschimpft?

GARIBALDO
Herrin, sogleich
eile ich, dir zu gehorchen, und die Rache
soll auf das Haupt des Schurken…
Er will abgehen.

EDUIGE
Nein, halt ein, warte!
Z meinen Füssen flehend soll er
um Verzeihung bitten und sie nicht erlangen.

GARIBALDO
Glaubst du, das zu erreichen? Und wirst du es tun?


Nr. 4 - Arie

EDUIGE
Ich werde es tun und ihm sagen: Grausamer,
schenk einer anderen dein undankbares,
meineidiges und verräterisches Herz!

Dann wende ich mich zu dir
und sage dir vor seinen Augen:
Du bist der Abgott meines Herzens!

Ich werde es tun und ihm sagen usw.
ab


SZENE 5

Rezitativ

GARIBALDO
Eduige, du täuschst dich:
Ich liebe nur deine Krone,
und die Heirat mit dir
ist mir nur ein Mittel, auf den Thron zu gelangen!


Nr. 5 - Arie

GARIBALDO
Cupidos Flügel will ich nutzen,
mich auf den Königsthron zu schwingen.
denn er allein erfreut das Herz.

Die Liebe hülle ich in List und Betrug,
denn eine Regung der Zärtlichkeit
wäre mir nur hinderlich.

Cupidos Flügel will ich nutzen usw.
ab


SZENE 6
Zypressenhain mit den Gräbern der Langobardenkönige, darunter auch das zuletzt errichtetet Grabmal Bertaridos.

Nr. 6 - Sinfonia und Accompagnato

BERTARIDO
in hunnischem Gewand
Leere Pracht des Todes!
Lügengebilde der Trauer,
das mein Bild und meinen Namen trägt
und dem stolzen Sinn des eitlen Siegers schmeichelt!
Du sagst, ich sei tot;
doch mein Schmerz erwidert, dass es nicht wahr ist.

Er liest die Grabinschrift

»Bertarido war König; von Grimoaldo
besiegt, floh er; nun ruht er bei den Hunnen.
Seiner Seele werde Ruhe und Frieden seiner Asche.«
Frieden meiner Asche?
Grausame Sterne!
Soll ich denn Zeit meines Lebens
mit Not und Sorge kämpfen?


Nr. 7 - Arie

BERTARIDO
Wo bist du, heiss Geliebte?
Komm und tröste mein Herz!

Die Qualen drücken mich nieder,
und meine jammervollen Klagen
kann ich nur durch dich beenden!

Wo bist du, heiss Geliebte? usw.

Unulfo tritt auf

Rezitativ

BERTARIDO
Doch da kommt Unulfo, o Gott!
Er will ihn umarmen.
Mein treuer Freund, erlaube
dass diese Arme …

UNULFO
hält ihn zurück
Ach, mein Gebieter!
Wenn das grausame Schicksal
dir das Szepter entriss, so nahm es mir doch nicht
die Ehrfurcht, die ein treuer Untertan
seinem herrscher schuldet!
Halte ein und erlaube mir,
dass ich dir als Zeichen meiner Ehrerbietung
demütig die Hand küsse.
Er küsst ihm die Hand.
Dies sei Ausdruck meiner bewährten Treue
und meines erneuten Gehorsams.

BERTARIDO
Wenn ich im Unglück
einen so treuen Freund finde.
segne ich mein Verhängnis!
Doch sprich! Meine Gattin
Rodelinda, was macht sie? Was macht mein Sohn?

UNULFO
Was das herbe Schicksal
nicht vermochte, ihren schönen Augen
Tränenflüsse zu entlocken,
das vermochte die falsche Nachricht von deinem Tod.

BERTARIDO
O Gott!
Unulfo, hast du ihr nicht gesagt, dass ich lebe?

UNULFO
Ich möchte, dass ihr Schmerz
die Täuschung glaubhaft macht, und du solltest
dich noch versteckt halten.

BERTARIDO
Geliebtes Herz, welch ein Leid!
Doch was sehe ich?
Unulfo, dort kommt meine Gattin mit meinem Sohn!
Freund, lass mich sie umarmen…

UNULFO
O Gott! Herr,
lasse nicht zu, dass deine Liebe
dein Leben in Gefahr bringt.

BERTARIDO
Ach, erlaube zumindest,
dass ich nach so langer Abwesenheit
die Gattin an mein Herz drücke
und meinen Sohn küsse.

UNULFO
Um sie einen Augenblick zu umarmen.
Willst du sie für immer verlieren?

BERTARIDO
Weh, welche Qual!

UNULFO
Zieh dich zurück, mein König.

BERTARIDO
Du willst, dass ich sterbe.

UNULFO
Nein! Verbirg dich und gedulde dich ein wenig länger!

Beide verbergen sich hinter dem Grabmal.
Rodelinda tritt auf, Flavio an der Hand.



SZENE 7

Nr. 8 - Arie

RODELINDA
Schatten, Haine, Trauergräber.
ihr gäbet
meinem Herzen Labung,

wüsste ich bei euch
nicht nur das Abbild,
sondern auch die Asche meines Geliebten!

Schatten, Haine, Trauergräber, usw.


Nr. 9 - Accompagnato und Rezitativ

RODELINDA
Du Schatten meines Teuren,
der du vielleicht noch sein Bild umschwebst,
sieh deiner Gattin und deines Sohnes
treue Tränen, höre ihre Seufzer ...

BERTARIDO
(Ich kann mich nicht Iänger zurückhalten!)

UNULFO
(Bezwinge dein Sehnen)

RODELINDA
Empfange unsere Küsse!

Sie küsst das Grabmal und nötigt Flavio, es auch zu tun.

Rezitativ

BERTARIDO
(Oh, lass mich!)

UNULFO
(Nein, Herr, sieh zu und schweige!)

Garibaldo tritt auf, von Wachen begleitet.


SZENE 8

GARIBALDO
Eitle und nutzlose Küsse
bringst du zum Grab, Rodelinda, und doch
kannst du durch sie die Herrschaft wieder erkaufen.

BERTARIDO
Garibaldo, der Schurke!

UNULFO
(Beherrsche deinen Zorn!)

RODELINDA
Drängt es dich so sehr,
Verräter, mich an mein Unglück zu mahnen?

GARIBALDO
Grimoaldo verlangt von dir
Gehorsam, nicht Widerspruch;
heirate ihn und akzeptiere dein Schicksal
oder bereite dich…

RODELINDA
Wozu? Vielleicht zum Tod?
Ich habe nichts mehr zu fürchten oder zu hoffen.

GARIBALDO
Du hast nichts mehr zu fürchten? Gib deinen Sohn her!

Er entreisst ihr den Knaben.

BERTARIDO
(Ah, Verruchter!)

UNULFO
(Halt ein!)

GARIBALDO
Seine Gefahr
wird dich weniger stolz und williger machen.
Grimoaldo will
dein Schicksal in deine eigene Hand legen.
Denke nach and wähle schnell
den Thron für deinen Sohn oder den Tod!

RODELINDA
Elender, ich begreife:
Das ist allein dein Werk.
Gib mir sofort den Sohn zurück!
Sie nimmt den Knaben wieder an sich.
Geh zu deinem Herren; sag, dass ich mich füge.
dass ich mit seiner Hand auch den Thron annehme.

Garibaldo geht ab

BERTARIDO
(Ich Armer, weh mir, ich sterbe!)

UNULFO
(O Himmel, was höre ich!)

RODELINDA
Doch du, zittre vor Angst,
niederträchtiger Ratgeber, elender Knecht!
Ich werde Richter sein über deine Schuld!
Ich werde herrschen, Schurke, doch du stirbst!


Nr. 10 - Arie

RODELINDA
Ja, du stirbst! Dein feiges Haupt
diene mir als Stufe
auf dem Weg hinauf zum Thron!

Von meinem neuen Gatten
könnte ich nichts Schöneres
erbitten, kein schöneres Geschenk.

Ja, du stirbst! usw.

Ab.
Grimualdo, Garibaldo und Wachen treten auf.



SZENE 9

Rezitativ

GRIMOALDO
Nun, Herzog, kann ich
für meine Herzensglut
ein wenig Linderung durch dein Werk erhoffen?

GARIBALDO
Ja, Rodelinda ist dein.

GRIMOALDO
Stimmt das wirklich?

GARIBALDO
Du bist glücklich, und ich, Herr, sterbe.

GRIMOALDO
Du stirbst? Warum?

GARIBALDO
Sie schwor, wenn sie die Herrschaft wieder gewinnt,
ihren ganzen Zorn
gegen mich zu richten.

GRIMOALDO
Hab keine Angst,
denn mein Lorbeer
wird gegen die furchtbarsten Blitze ihres Zorns
ein starker Schild zu deiner Verteidigung sein.


Nr. 11 - Arie

GRIMOALDO
Wenn ich durch dich Erfüllung erlange,
wie kannst du dich da noch fürchten?
Vor wem? Vor was?

Ich schwinge das Schwert der Asträa,
ich befehle,
ich bin der König.

Wenn ich durch dich Erfüllung erlange usw.

Er geht mit Garibaldo ab.


SZENE 10

Rezitativ

BERTARIDO
Unulfo, o Gott! Ist das Beständigkeit?
Und ich lebe noch?
Ich Unglücklicher! Ist das Treue?
Bei der ersten Drohung, beim ersten Angriff
fügt sie sich und gibt sich hin?

UNULFO
Man muss ihr mitteilen.
Herr, dass du noch lebst!

BERTARIDO
Nein, nein.

UNULFO
Willst du?…

BERTARIDO
Nein, dann ist ihre Treue
nur Notwendigkeit, keine Tugend!

UNULFO
Ach, Herr, ich gestehe,
dass ich selbst ganz ausser mir bin!
Hoffe auf Tröstung; währenddessen
lass mich gehen, traurig und allein,
um Linderung für dein grosses Leid zu finden,

Nr. 12 - Arie

UNULFO
Die Schläge des Schicksals
sind für ein starkes, lebendiges Herz
zwar bitter, aber nicht tödlich,

Doch wenn Amor sie führt,
empfängt vor allem ein edles Herz
die schlimmsten Wunden.

Die Schläge des Schicksals usw.

ab


SZENE 11

Nr. 13 - Accompagnato

BERTARIDO
Ja, die treulose Gattin
soll mich für tot halten,
dem neuen Gatten schwöre sie die Treue,
die sie mir schwor, wie ein Blatt im Wind,
dann soll sie hören, dass ich lebe, und sich entsetzen!

Nr. 14 - Arie

BERTARIDO
Verwirrt soll man sie sehen,
die treulose Gattin,
die mich im Bewusstsein meines Todes
so verhöhnt.

Mit geheuchelten Klagen
quält and martert sie sich,
als Toten beweint sie mich,
als Lebenden tötet sie mich.

Verwirrt soll man sie sehen, usw.




ZWEITER AKT

SZENE 1
Ein Saal im Palast

Rezitativ

GARIBALDO
O Herrin, ihr verIort
den Titel einer Königin und Gattin.

EDUIGE
Nicht weiter, mein Schmerz
wird zu gross, o Gott! Doch du,
was tust du für mich? Was denkst du?

GARIBALDO
Eduige, erfülle
mein Sehnen, und meine Liebe schwört,
deinen Anspruch auf den Thron zu unterstützen.

EDUIGE
Ich verspreche, dir zu gehören.

GARIBALDO
Schwörst du mir deinen Eid
als Gattin und…

EDUIGE
Wie?
Bevor du mir dienst, willst du die Belohnung?

GARIBALDO
Mit einem so schönen Titel
verliere ich den hässlichen Makel
eines Verräters und Rebellen. Nun, willst du?

EDUIGE
O Gott!
Wenn du mein Herz sähest…

GARIBALDO
Ich sehe es, Undankbare:
Du liebst den, der dich verriet, grausame Seele.

Er geht ab, Rodelinda tritt mit Flavio ein.


SZENE 2

Rezitativ

EDUIGE
Rodelinda, so traurig nimmst du
den Hochzeitsschleier und die Krone wieder auf?

RODELINDA
Ob traurig oder heiter,
ich bin deine Königin, wenn ich es will.

EDUIGE
Und glaubst du Grimoaldo? Und glaubst du ihm,
dem Eidbrüchigen and Rebellen,
der Gundeberto und mich verriet?

RODELINDA
Grimoaldo war Herzog und ist nun König.

EDUIGE
Ich, die sie ihm gab, ich kann ihm die Krone entreissen.
Auf sein ehrloses Haupt
sollst du den Blitz meines Schmerzes fallen sehen,
der unversehens seinen Lorbeer in Zypressen
und den Thron zum Grab verwandelt!

Nr. 15 - Arie

EDUIGE
Um meine Schande en rächen,
will ich meine Liebe in Zorn verwandeln!

Meine Blicke werden zu Pfeilen entflammt sein,
wenn ich den Nichtswürdigen grausam vernichte.

Um meine Schande zu rächen, usw.

Ab. Grimoaldo, Unulfo, Garibaldo und Wachen treten auf.


SZENE 3

Rezitativ

GRIMOALDO
Rodelinda, ist es wahr?

RODELINDA
Ja, Grimoaldo,
ja, ich füge mich.

UNULFO
(O Himmel!)

RODELINDA
Erst musst du mir eine Bedingung erfüllen, dann
will ich sein, was du verlangst. Gattin oder Dienerin.

GARIBALDO
zu Grimoaldo
Sie will meinen Kopf.

GRIMOALDO
zu Rodelinda
Verlange alles.
ausser den Tod von …

RODELINDA
Von Garibaldo?

GRIMOALDO
Ja.

RODELINDA
Eine so niederträchtige Seele
braucht meinen edlen Zorn nicht zu fürchten.

GRIMOALDO
So vollende, Teure, mein Glück!
Ich schwöre, alles zu erfüllen!

RODELINDA
Ich will, dass du dich
als Verbrecher und Unmensch zeigst,
dass du mit eigener Hand
vor meinen Augen meinen Sohn tötest;
so sei in einer Untat
all deine Ehre begraben!

UNULFO
(Was höre ich!)

GRIMOALDO
Und das …

RODELINDA
Ja, das ist mein Wunsch.

GRIMOALDO
Du scherzest!

RODELINDA
Nein, ich scherze nicht und hintergehe dich nicht:
Ich könnte nicht zugleich Mutter
des rechtmässigen Königs und Gattin des Tyrannen sein
und an diese sittsame Brust
den Sohn und dessen Feind drücken.

GRIMOALDO
Ach! Herzog, auf diese Weise
soll Rodelinda mein werden?

RODELINDA
Unter dieser Bedingung
biete ich dir meine Hand. Bedenke,
wenn du mein Gemahl bist und ich deine Gattin bin,
heirate ich die Rache und du den Tod!

UNULFO
(Wie klug und treu sie ist.)

GARIBALDO
(Wie sie meine grossen Pläne durchkreuzt!)

Nr. 16 - Arie

RODELINDA
Grausame, ich habe euch geschworen:
Da ich meinem Sohn mein Herz schenkte,
für euch Kummer und Leid zu bewahren!

Nie könnte meine Hand
jenen Unmenschen umfassen,
der Ursache meines ganzen Leids ist.

Grausame, ich habe euch geschworen usw.

Sie geht mit Flavio ab.


SZENE 4

Rezitativ

GRIMOALDO
Unulfo. Garibaldo, in meiner Brust
erstirbt die Hoffnung, die die Liebe nährt, doch
mit ihr stirbt die Liebe nicht und wird nicht wankend.

UNULFO
Besinne dich zur Verteidigung deines Herzens,
Herr, auf deine Tugend.

GRIMOALDO
Ach! Die Treue, die in ihr leuchtet, steigert
meine Liebe, Unulfo, und entflammt mich noch mehr.

UNULFO
So liebe an ihr
die Schönheit der Seele, nicht des Äusseren.
Was kann ich sonst noch für dich tun?

GARIBALDO
zu Grimoaldo
Lass dich nicht von ihren eitlen Schlichen trügen;
nimm die Bedingung an,
und sie wird widerrufen!

UNULFO
zu Grimoaldo
Und du wolltest dich wirklich mit dem königlichen
Blut eines unschuldigen Kindes beflecken?

GRIMOALDO
Genug!
Die Stimme derTugend
kümmert kein verliebtes Herz,
oder es hört sie nicht!

Nr. 17 - Arie

GRIMOALDO
Gefangen liegt mein Herz in Schmerzen,
doch so lieblich ist die Kette,
dass es nicht nach Freiheit verlangt.

Traurig und krank ist mein Herz,
doch sein Leid gefällt ihm so sehr,
dass es keine Linderung ersehnt.

Gefangen liegt mein Herz in Schmerzen usw.

Ab.

Rezitativ

UNULFO
Solch schändliche Lehren,
solch bösen Rat erteilst du, o Herzog,
ihm, der die Königswürde trägt'?

GARIBALDO
Wer ein Tyrann ist, soll auch danach handeln.

UNULFO
Du wolltest …

GARIBALDO
Ja, dass der Meineidige
Verrat übe!

UNULFO
Du wolltest ...

GARIBALDO
Dass der Unreine
die Tugend untergrabe!

UNULFO
Du wolltest …

GARIBALDO
Dass er rücksichtslos,
mit grösster Grausamkeit, ungerecht und ehrlos …

UNULFO
Das königliche Blut vergiesse?

GARIBALDO
So verdient er sich den Namen des Thronräubers.

Nr. 18 - Arie

GARIBALDO
Tyrannei gab ihm die Herrschaft,
Grausamkeit soll sie ihm erhalten.

Grundlage und Stütze
der Macht ist die Härte,
nicht das Mitleid.

Tyrannei gab ihm usw.

Ab.

Rezitativ

UNULFO
Ja. Schurke, ich verstehe dich und täusche mich nicht:
Wie du deinen wahren König hintergingst,
so willst du auch den Tyrannen betrügen!
Indessen sei die Qual im liebenden Herzen
meines Herrn gelindert,
wenn er erfährt,
wie treu seine Gattin ist, wie beständig!

Nr. 19 - Arie

UNULFO
In schrecklichen Stürmen erscheint seiner Seele
als Bote des Friedens
bereits ein Stern.

Das Dunkel seiner Schmerzen
erhellt die Treue seiner teuren Gattin
und leuchtet strahlender als zuvor.

In schrecklichen Stürmen usw.

Ab.


SZENE 5
Ein lieblicher Ort

Nr. 20 - Arie und Rezitativ

BERTARIDO
Mit heiserem Rauschen
weinen mit mir
die Bäche und Quellen.

Stockend und traurig
erklingt das Echo meiner Klagen
von den Schluchten und Bergen.

(Rezitativ)

EDUIGE
tritt von der anderen Seite auf
Das ist die Stimme
meines toten Bruders,
wenn mich mein Wunsch nicht irreführt!

BERTARIDO
Mit heiserem Rauschen usw.

Rezitativ

EDUIGE
Ach nein, die Stimme und das Gesicht
täuschen mich nicht! O Himmel! Mein Bruder lebt
als Fremder verkleidet, und hier ist er!

BERTARIDO
Ich bin entdeckt!

EDUIGE
Bruder? O Gott! Was sehe ich?
Du lebst?

BERTARIDO
Dass ich lebe,
entringt dir ein Seufzen?
Doch nein, seufze nicht, der bin ich nicht:
Bertarido hatte den Thron,
er hatte Freunde und Vasallen, er hatte eine Familie,
er hatte eine Gattin, o Gott!
Er glaubte an Treue und Beständigkeit.
Und davon bleibt mir allein,
zu all meinem Schmerz, die Erinnerung.

EDUIGE
Der Zorn eines Augenblicks
kann das Band schwächen, aber nicht lösen,
das die Natur fest zwischen uns knüpfte.
Wenn ich dir auch die Herrschaft nahm,
so rächte doch Rodelinda dein Ungemach.

BERTARIDO
Schwester, die Herrschaft ist nicht,
was ich suche und worum ich mich betrogen fühle;
ich täuschte meinen Tod vor, und mein Ziel war allein,
dem Tyrannen die mir teuren Geiseln zu entreissen,
Gattin und Sohn,
und sie aus meiner unglücklichen Lage
in ein leidvolles Exil zu fuhren.

Unulfo tritt auf.

UNULFO
(Ich habe ihn doch gefunden ... Aber was sehe ich?
Das Geheimnis ist verraten, er ist entdeckt.)

BERTARIDO
Doch
auch diese Befriedigung
verweigert mir das neidische Schicksal.
Elend kehre ich zurück und höre,
wie die treulose Gattin
mich verrät.

UNULFO
Das ist ein Irrtum.
Rodelinda ist treu!

BERTARIDO
Was sagst du? Unulfo,
sprichst du die Wahrheit?

EDUIGE
(Atme auf, liebende Seele.)

UNULFO
Du kannst dir keine treuere,
beständigere Gattin als sie wünschen.

EDUIGE
Rodelinda und Flavio zu befreien,
ist also dein einziger, verständlicher Wunsch?

BERTARIDO
Nichts anderes.

EDUIGE
Ich will dafür sorgen,
unser beider Herzen den Frieden wiederzugeben.

Ab.

UNULFO
Komm, Herr, es ist nun nicht mehr nötig,
deiner treuen Gattin
zu verschweigen, dass du lebst.

BERTARIDO
Ich komme: zu dir hat mein Herz Vertrauen.
Unulfo geht ab.
Lass deiner Wut freien Lauf,
zorniger Himmel, nimm mir Vasallen und Thron!
Doch gib meiner keuschen Liebe
die treue Rodelinda wieder, und ich verzeihe dir.

Nr. 21 - Arie

BERTARIDO
Aus ihrem Nest verjagt,
fliegt die Schwalbe in ein fremdes Land,
ohneje zu klagen.

Sie hadert nicht mit dem Schicksal,
wenn sie die Gefährtin bei sich hat,
die stets treu und schön ist.

Aus ihrem Nest verjagt, usw.
Ab.


SZENE 6
Eine Galerie in den Gemächern Rodelindas

Rezitativ

RODELINDA
Mein Gatte lebt?

UNULFO
Ja, er lebt, o Königin,
und brennt darauf, dich zu umarmen.

RODELINDA
Bei so viel Glück
müsste vor Freude mein Herz stillstehen,
und doch, Unulfo, ich fühle …

UNULFO
Störende Furcht
quält deine schöne Seele …

RODELINDA
Nun verweigere nicht länger
meinen Augen und meinem Herzen die Erfüllung:
Lass Bertarido zu mir kommen.

UNULFO
Ich schicke ihn sogleich zu dir.

Ab.

RODELINDA
Wie heftig, o Gott,
schlägt mir das Herz in der Brust;
ich weiss nicht, ob vor Freude oder vor Furcht!

Nr.22 - Arie

RODELINDA
Komm zurück, mein teurer, zarter Geliebter,
schenke meinem Herzen Trost und Hoffnung!

Du wirst meinem Herzen die Ruhe wiedergeben,
denn du bringst die Linderung aller Schmerzen!

Komm zurück, mein teurer usw.

Bertarido tritt auf


SZENE 7

Rezitativ

RODELINDA
Oh ja! Hier kommt mein Gemahl! OTeuerster!
Mein Liebster! Mein Geliebter …

Sie will ihn umarmen.

BERTARIDO
häIt sie zurück
Halt ein, denn ich bin
deiner keuschen Umarmung noch nicht würdig,
da ich an deiner Treue zweifeln konnte.
Er kniet nieder
Lass mich erst zu deinen Füssen
für meinen falschen Verdacht demütig Verzeihung von dir erbitten;
vergib mir, o Teure, dann drück' mich an dein Herz!

RODELINDA
Die Glut unserer Liebe abzukühlen,
reicht der Frost der kalten Eifersucht nicht aus;
da du meine ganze Seele bist …

Rodelinda umarmt ihn.
Grimoaldo und Wachen treten auf.


GRIMOALDO
Was sehe ich! Ist das die Keusche?

BERTARIDO
(O Himmel!)

RODELINDA
(O ungerechtes Schicksal!)

GRIMOALDO
Ist das die unerschütterliche Treue,
die du dem toten Gatten hältst,
o Rodelinda? Und für einen liebenden König,
der dir sein Herz, die Heirat und den Thron anbot,
hast du nur stolze Verachtung und Wut?

RODELINDA
(Er weiss nicht, dass es mein Gatte ist; o Liebe, hilf.
Wir müssen sein Leben retten,
auch wenn meine Ehre zu Unrecht beleidigt ist.)

GRIMOALDO
Schamlose, antwortest du nicht? Welche Verteidigung,
welche Entschuldigung ersinnst du?
Schenkst du einem buhlenden Fremden,
der vielleicht unehrenhaft und niederer Herkunft ist,
das, was du einem König verweigerst?

RODELINDA
So ist es.

BERTARIDO
(Und soll ich dulden, dass aus sklavischer Furcht
die Reinheit ihrer Ehre
unwidersprochen verletzt wird? Nein, ich will sterben,
auf dass ihre Ehre lebe.)
Nein, Grimoaldo, zu Unrecht
zeihst du dieses reine Herz der Unzucht.
Keusch war diese Umarmung,
ich umarmte die Gattin: Ich bin Bertarido.

GRIMOALDO
Bertarido?

RODELINDA
Er lügt!

GRIMOALDO
Bertarido starb!

RODELINDA
Um meine Ehre zu retten, gibt er sich für ihn aus!

BERTARIDO
Zum Beweis, dass ich nicht lüge, dass ich es bin,
sieh, mehr als die eigene Ehre
gilt ihr mein Leben!

GRIMOALDO
Nehmt ihn in Gewahrsam; und du hör mich an:
zu Rodelinda
Er sei dein Buhle oder dein Gatte, noch einmal
drücke ihn an deine Brust, das gestatte ich dir;
ehrenhaft oder nicht,
deine Umarmung sagt ihm das letzte Lebewohl!

Nr. 23 - Arie

GRIMOALDO
zu Rodelinda

Dein Buhle ist mein Rivale,
dein Gatte ist mein Feind,
und er soll sterben.
zu Bertarido
Deine verhängnisvolle Umarmung,
sei sie ehrenhaft oder unzüchtig,
macht dich schuldig.

Dein Buhle ist mein Rivale, usw.

Ab.

Rezitativ

RODELINDA
Es war dir nicht genug, mein Gemahl,
mir aus der Ferne
mit der grausamen Nachricht deines Todes wehzutun;
denn um nur noch grösseren Schmerz zu bereiten,
führte dich die Liebe her,
auf dass du vor meinen Augen stirbst.

BERTARIDO
O meine Gattin, und doch
bin ich in meinem Elend nun so glücklich,
dass mir, obwohl das Schicksal mich verriet,
selbst der Verrat willkommen ist.

Nr. 24 - Duett

RODELINDA und BERTARIDO
Ich umarme dich! Bitterer und stärker als der Tod
ist meinem Herzen
dieser Abschied,
der deine Brust von meiner trennt.

BERTARIDO
Ach, mein Leben!

RODELINDA
Ach, mein Teurer!

RODELINDA und BERTARIDO
Wenn ich nicht sterbe,
ist diese Qual nur umso grausamer,
die Tod gibt, aber nicht tötet!

Ich umarme dich! usw.


DRITTER AKT

SZENE 1
Eine Galerie im Palast

Rezitativ

EDUIGE
Die Gefahr für meinen Bruder
vernichtet aufs Neue all meine Hoffnung.
Blut, Liebe, Eifersucht - Himmel, hilf mir!

UNULFO
Grimoaldos unerbittliche Wut
verurteilt Bertarido zum Tod.

EDUIGE
Ihn seinem Schicksal und dem
Gefängnis zu entreissen,
vermag dein Eifer nicht?

UNULFO
Wie denn?

EDUIGE
Deiner Obhut
ist der Gefangene anvertraut.

UNULFO
Grimoaldo gestattet mir freien Zugang
zum Gefängnis,
das stimmt; doch was nützt das?

EDUIGE
reicht ihm einen Schlüssel
Dies ist der Schlüssel,
der im Kerker den Geheimgang öffnet,
der unter der Erde
bis zum königlichen Garten führt:
Dorthin komme ich mit Rodelinda;
durch jenen dunklen Gang
werden wir ihn hinführen, und ich sorge dafür,
dass er den Weg offen findet,
um aus diesen Mauern in die Freiheit zu gelangen.

UNULFO
Mit deiner Hilfe und deinem Rat
ist meine Aufgabe nicht schwierig:
mein kühnes Herz wird ihn dem Tod entreissen,
und gern gäbe ich mein eigenes Leben hin,
um das meines Königszu retten.

Nr.25 - Arie

UNULFO
Ein Zephyr wehte,
der meine Seele erfreute
und ihr Ruhe gab.

Wenn ich meinen Gebieter rette,
hat mein Herz keinen weiteren Wunsch,
und ich habe Frieden gefunden.

Ein Zephyr wehte, usw.

Ab

Rezitativ

EDUIGE
Durch eine edle Tat will ich
meine grosse Schuld tilgen,
zu der mich blinde Machtgier trieb;
Ich hoffe, Rodelinda,
ihren Sohn und Bertarido zu retten.

Nr. 26 - Arie

EDUIGE
Je wilder
der Sturm tobt,
desto mehr Hoffnung
habe ich.

Zuversichtlich
sagt sie zu meinem Trost,
dass ich den Hafen
erreichen werde.

Je wilder usw.

Sie geht ab.
Grimoaldo, Garibaldo und Wachen treten auf.



SZENE 2

Rezitativ

GARIBALDO
Dies ist der falsche Bertarido,
oder der Brief des Hunnenkönigs log:
meine Angst um den Thron fordert seinen Tod.

GRIMOALDO
Mein Herz ist unruhig, meinen Sinn verwirrt
bald Argwohn, bald Liebe,
bald Hoffnung, bald Furcht,
bald Ehrsucht, bald Streben nach Herrschaft!

GARIBALDO
Über alle Regungen
siege dieses Verlangen: sei er nun echt oder falsch,
töte mit Bertarido auch deinen Argwohn!

GRIMOALDO
Doch echt oder falsch,
wenn ich Bertarido töte, wie kann ich dann hoffen,
je Rodelindas Herz zu gewinnen?

GARIBALDO
Und wie kannst du es,
wenn ihr Gatte lebt, sei es wahr oder erlogen?

GRIMOALDO
O Gott!

GARIBALDO
Du seufzst? Und wie man dich verhöhnt,
bemerkst du nicht?

Rodelinda und Eduige
vereinen dir zum Schaden ihren Zorn.
Töte den Verräter oder verliere den Thron.

Ab

Nr. 27 - Arie


GRIMOALDO
Unter Argwohn, Leidenschaft und Furcht
ist meine Brust voller Schmerz.

Mal füge ich mich, mal entbrenne ich in blinder Wut,
dann wieder bereue ich oder fürchte Betrug.

Unter Argwohn, Leidenschaft usw.

Ab


SZENE 3
Ein finsterer Kerker

Nr. 28 - Arioso

BERTARIDO
Wer von euch war treuloser,
blinde Liebe oder grausames Schicksal?
Wer von euch betrog mich mehr?

Mich vertrieb das unerbittliche Schicksal
zunächst vom Thron, und in den Kerker
führte mich dann die unerbittliche Liebe.

Wer von euch war treuloser, usw.

Ein Schwert fällt in den Kerker das Eduige hinabwarf.

Nr. 29 - Accompagnato und Rezitativ

BERTARIDO
Doch was
fiel da vom hohen Erker herab mir zu Füssen?
Die undurchdringliche Finsternis
verbirgt dem Blick alle Gegenstände …
Er tastet auf dem Boden umher
Ich habe es gefunden … Eine Freundeshand
gab mir wohl dies Schwert, das zu sagen scheint:
»Ich bin dein für alle Taten,
schwing mich zu deiner Verteidigung:
in jedem tödlichen Gefecht
will ich dich bewahren.
Den Rest überlasse der Sorge deiner Freunde!«
Er zieht das Schwert aus der Scheide.
Ich will dich schwingen, o teures,
des treuesten Freundes treues Schwert!
Doch schon öffnet sich das Tor
des schrecklichen Kerkers, da kommt
der grausame Vollstrecker desTodes. Gerechte Wut
entflammt mein Herz. Stirb, Elender!

Er stösst zu und verwundet Unulfo, der gerade eintrat.

Rezitativ

UNULFO
Bertarido? mein König …

BERTARIDO
Was tat ich? Unulfo? Weh mir!

UNULFO
Wie wenig ist dein Herz entflammt
vom Verlangen nach Freiheit, o mein Gebieter,
wenn du die Hand verwundest, die sie dir bringt!

BERTARIDO
O verwünschte Rechte! O törichtes Herz!
O teurer Freund! O undankbarer Bertarido!
Blinde, verhängnisvolle Gräueltat!
Und du, verwünschter Stahl,
Er wirft das Schwert fort.
du kamst mir zur schlechten Zeit, Elender.

UNULFO
Genug! Diese Augenblicke
sind viel zu kostbar,
um sie mit Klagen zu vergeuden.
Wichtiger als meine Wunde
ist deine Rettung, ist dein Leben.
Er nötigt ihn, den Mantel abzulegen.
Lass dies allen bekannte Gewand
zurück, Herr, und zu besserem Zweck
Er gibt ihm das Schwert wieder in die Hand
zücke dein Schwert! Ah, das Zögern
kann uns leicht Verderben bringen!
Nun fort!

BERTARIDO
Mein Freund, nun
da ich schuldig bin, willst du meine Fesseln lösen?

UNULFO
O Gott! Ich meine, Leute zu hören:
fliehen wir, bevor der wachsame Aufseher
den Betrug bemerkt.

BERTARIDO
O weh! Mein Fuss ist ebenso unbarmherzig,
wie meine Hand gegen dich war: wenn diese
dein Blut vergoss, tritt jener nun darauf.

Sie verlassen den Kerker durch eine Geheimtür. Eduige führt Rodelinda und Flavio an der Hand herein.


SZENE 4

Rezitativ

EDUIGE
Fürchte nichts. Herr?
Bruder? Ich höre nichts; es ist ganz finster.

RODELINDA
Ah! Zu Recht fürchte ich mich.

Eduige verlässt den Kerker

EDUIGE
Ich hole Licht …

RODELINDA
O Gott!
Bertarido? ... Mein Herz? ... Du antwortest nicht?
Schläfst du? Wo bist du? Wo verbirgst du dich?

Eduige kehrt mit einer Leuchte zurück.

EDUIGE
Bruder?

RODELINDA
Ach, ich ahnte es! Dort der Mantel,
dort frisches Blut auf dem Boden.
Was suche ich Unglückliche noch?
Dieses Blut und und dieser Mantel beweisen mir,
dass mein teurer Gatte …
Ach, ich kann vor Tränen nicht mehr sprechen.

Sie weint

EDUIGE
Ach! Rodelinda, o Gott! WelcherTrost
kann dir mein Schmerz wohl sein?

RODELINDA
Ach, Eduige, dein Bruder
ist tot. Tot, verwaister Knabe,
Sie kniet nieder und umarmt ihren Sohn.
ist der König, dein Vater, mein Gemahl!

EDUIGE
Ach, mein allzu spätes Erbarmen! Vergeblich
gabst du seiner Hand das Schwert!

RODELINDA
erhebt sich
Wer gibt mir nun
zumindest den erkalteten Körper zurück,
auf dass ich einen Kuss auf jene teure Brust drücke
und der Schmerz mich über dem geliebten Leib,
meinem Schicksal zuvorkommend, niederdrücke?

Nr.30 - Arie

RODELINDA
Wenn mein Schmerz nicht stark genug ist,
wer durchbohrt, o Gott, wer zerreisst
mir aus Mitleid dann das Herz?

Ach, denn einem leidenden Herzen einen Schmerz
zu nehmen, der schlimmer als der Tod ist,
ist Mitleid, nicht Grausamkeit.

Wenn mein Schmerz usw.

Alle ab.


SZENE 5
Der königliche Garten

Rezitativ

BERTARIDO
stützt den verletzten Unulfo
Freund, ach, mehr als mein Schicksal
schmerzt mich deine Wunde!

UNULFO
Herr, nur meine Rechte
war Ziel deiner Tapferkeit;
die Verletzung ist leicht.

BERTARIDO
reisst ein Stück Stoff ab und verbindet Unulfos Arm
Erlaube, dass eine barmherzige Hand
das Blut stillt.

UNULFO
Mein König, ich bin verwirrt.
Ich sollte jetzt gehen
und deine Gemahlin und deinen Sohn suchen.
Dort, in jenem Gesträuch,
verbirgst du dich vor der Gefahr, bis ich zurückkehre.

Ab.

BERTARIDO
Ich verberge mich; doch mein Herz fürchtet
die tückische Herrschaft eines Tyrannen nicht mehr.
Der barmherzige Himmel hat mich befreit,
mehr verlange ich nicht;
denn nun liegt mein Schicksal in meinen Händen.

Nr. 31 - Arie

BERTARIDO
Wenn dem wilden Tier
die Füsse in Ketten gelegt sind,
verlangt es zitternd
nach der verlorenen Freiheit.

Doch von den Fesseln befreit,
schlägt es alle in die Flucht,
ist es angegriffen, lernt es schnell,
kein Mitleid mehr zu kennen.

Wenn dem wilden Tier usw.

Ab.


SZENE 6

Nr. 32 - Accompagnato

GRIMOALDO
Meise Brust ist zur Hölle geworden:
mit Geisseln bewaffnet, hausen in meinem Herzen
drei Furien: Eifersucht, Zorn und Liebe.
Und aus den Tiefen höre ich
wie von einem wilden Bluthund
das Geheul der Reue, die mich quält,
mich Verräter nennt,
Meineidiger, Thronräuber, Schurke und Tyrann!

Doch ihr lockt
meine müden Augen
zu einer kurzen Rast, ihr sanften Lüfte!
Ja, schlaf, Grimoaldo, und suche
Frieden zwischen Quellen und Auen,
den unsicheren Thron
der stolzen Herrschaft gib preis;
denn so kostbar wie der Thron
ist die Ruhe des Herzens.

Nr. 33 - Arie

GRIMOALDO
Der Hirte einer kleinen Herde
schläft zufrieden
im Schatten der Buche oder des Lorbeers.

Ich, der Herrscher eines prächtigen Reiches,
finde keine Ruhe
im Schatten des Purpurs und des Goldes.

Der Hirte einer kleinen Herde usw.

Er schläft ein, als die Sinfonia verklungen ist.
Garibaldo tritt auf.



SZENE 7

Rezitativ

GARIBALDO
Was sehe ich? Das günstige Schicksal
hilft meiner Absicht.
Durch sein eigenes Schwert,
durch diese meine Hand,
die ihn zuvor krönte, soll er jetzt fallen.

Er reisst Grimoaldo das Schwert von der Seite.

GRIMOALDO
erwacht
Ein Hinterhalt?…

GARIBALDO
(Er erwacht!)

GRIMOALDO
Welch ein Betrug …
Wer nahm mir mein Schwert?

GARIBALDO
Stirb, Tyrann!


SZENE 8

Rezitativ
BERTARIDO
tritt auf
Du sollst sterben, Verräter! Stirb, Rebell!
Er treibt Garibaldo hinaus.

GRIMOALDO
O Himmel! Soldaten, heda ... Wer steht mir bei?
O Gott, wer war das?
Die Wachen kommen.
War es Bertarido?

Rodelinda tritt mit Flavio auf.

RODELINDA
Ja, es war Bertarido,
den du ermordet hast, du Schändlicher!
Bertarido kehrt zurück und wirft Grimoaldo das Schwert vor die Füsse.

BERTARIDO
Grimoaldo, hier ist dein Schwert.

RODELINDA
O Himmel! Was sehe ich?
Wache, träume oder fantasiere ich?

BERTARIDO
Sieh, es ist befleckt
vom Blut eines deiner Freunde;
er fiel, durchbohrt und leblos,
der dich verriet und gegen mich rebellierte;
räche nun sein Blut durch das meine!

Arie

BERTARIDO
Du lebst, Tyrann,
ich habe dich gerettet;
töte mich, Undankbarer,
stille deine Wut!

Ich wollte dich retten,
um dir zu zeigen,
dass mein Schicksal
mein Herz nicht erniedrigt.

Du lebst, Tyrann usw.

Rezitativ

GRIMOALDO
Du bist also wirklich Bertarido?

RODELINDA
Welchen besseren
Beweis seines heroischen Herzens verlangst du?

GRIMOALDO
Doch wer befreite
deinen Fuss aus den Ketten?

Eduige und Unulfo treten auf.


LETZTE SZENE

Rezitativ

UNULFO
Der Schuldige steht vor dir.

EDUIGE
Auch ich konnte nicht ohne Entsetzen
meinen Bruder so in Fesseln schmachten sehen.

GRIMOALDO
Wenn ihr Bertaridos Freunde seid, will auch ich
euch als Freunde begrüssen,
denn ich verdanke ihm mein Leben.
Eduige, meine Braut, ich drücke dich an die Brust:
und als Herrscher auf deinem Thron in Pavia
begehre ich kein anderes Reich mehr.
Er nimmt Bertarido bei der Hand
Mailand, hier ist dein König: Huldige
deinem Souverän.

BERTARIDO
Nein, Grimoaldo,
mehr verlange ich nicht von dir als…

GRIMOALDO
Nimm deinen Sohn, deine Gattin, und nimm den Thron!

BERTARIDO
Liebste, wir sind der Gefahr entkommen.

RODELINDA
Mein Gatte, ich drücke dich an mich;
umarme deinen Sohn.

Nr. 34 - Arie

RODELINDA
Mein Liebster!
Nun spüre ich keine Angst oder Qual,
keine Qual mehr im Herzen!

Da ich dich glücklich sehe,
fühle ich, dass in meinem Herzen
nur noch Liebe wohnt.

Mein Liebster! usw.

Rezitativ

BERTARIDO
Gattin, Sohn, Schwester, Freunde, o Gott!
ich drücke euch an meine Brust; oh wieviel
verdankt euch allen mein Herz!
Feiert jetzt Feste
in allen Teilen des Reiches,
und der vergangenen Qual
sei an diesem glücklichen Tag die Freude ebenbürtig!

Duett

RODELINDA, dann BERTARIDO
Aus all der schlimmen Qual
soll das traurige Gemüt
nun zur Freude finden,
und in der Seele möge reines Glück erstrahlen.

Endlich wandelt sich das Los der starken Herzen,
die sich nach der Unterdrückung neu erheben.

ALLE
Nach dunkler Nacht,
strahlt hier die Sonne
umso heller, klarer,
freundlicher und schöner.

Nach solch schwerem Unglück
wird als Spross des Leidens
umso beständigere Freude
aus derTugend geboren.

Nach dunkler Nacht usw.