Lucio Silla Libretto
Deutsch Übersetzung
Personen
LUCIO SILLA, Diktator (Tenor)
CELIA, seine Schwester (Mezzosopran)
CECILIO, ein geächteter Senator (Sopran)
GIUNIA, seine Verlobte (Sopran)
LUCIO CINNA, ein Patrizier, Cecilios Freund (Sopran)
AUDIFIO, Tribun, Sillas Freund (Tenor)
Senatoren, Offiziere, Soldaten, Wachen, Volk
OuvertüreMolto allegro - Andante - Molto allegroERSTER AKTSZENE 1
Einsamer, abgeschlossener Bezirk mit vielen Bäumen und zerfallenen Ruinen. Ufer des Tiber. In der Ferne Sicht auf den Quirinal mit einem kleinen TempelCecilio, dann CinnaRezitativCECILIO
Oh Himmel, ich warte hier vergebens
Auf Freund Cinna.
Meine Ungeduld wächst mit seinem Säumen.
Oh, wie qualvoll ist doch jeder Augenblick
Für das Herz des Menschen,
Wenn es zwischen Furcht und Hoffnung schwankt.
Diese Zweifel … aber, täusche ich mich nicht?
Gottlob! Er kommt.
CINNA
Cecilio, mit welcher Freude sehe ich Dich wieder!
Ach, lass mich Dir ein Pfand der Zuneigung
In meiner Brust und der Freundschaft geben,
Jetzt, wo ich so überglücklich bin.
CECILIO
Wie sehr hat meine ungeduldige Seele
Dein Kommen schon herbeibeschworen!
Welch ein Bangen, welchen Schrecken
Brachte die Verzögerung mit sich.
Welch unheilvolle Bilder
Bestürmten die Gedanken!
Die erregte Seele ist bekümmert und verwirrt.
CINNA
Die Verzögerung hat einen wichtigen Grund.
Du wirst alles noch von mir erfahren.
CECILIO
Meine Ungeduld soll Dich nicht kränken …
Giunia, die liebe, treue Braut -
Ist sie noch ganz Liebe und ganz Treue?
Erinnert sie sich noch der süssen Liebe
Die sie mir einst geschworen hat?
Ist ihr zartes Herz auch noch dasselbe?
CINNA
Als tot beweint sie Dich …
CECILIO
Ach wie …? Ach, sage mir,
Wer wagte, eine solche Lüge zu ersinnen?
CINNA
Sillas Künste sind's,
Um ihre treue Liebe zu besiegen.
CECILIO
Ich fliege ihr entgegen, um sie im Schmerz zu trösten,
CINNA
Bleib hier! Du weisst noch nicht,
Dass es ein Vergehen für Dich ist, zurückzukehren.
Gross genug ist es, um den verbannten Bürger
In den Tod zu führen.
CECILIO
Um mir ein Leben zu bewahren,
Das ich hasse ohne sie,
Könnte ich die Braut dem Grausamen
Und Niederträchtigen zur Beute lassen?
CINNA
Hör zu! - Wo hoffst Du,
Deine treue Giunia wiederseh'n zu können?
Silla brachte sie unter sein eigenes Dach.
CECILIO
Und als müssiger Betrachter
Duldete es Cinna?
CINNA
Was konnte er allein versuchen?
Vergeblich ist es leider, dem, der die Macht in Händen hat,
Sich zu widersetzen.
CECILIO
Missgünstige Götter ?
Ich kann die Braut zu sehen also nicht mehr hoffen?
CINNA
Höre!
Diesem verborgenen Bereich nicht fern,
Erhebt der schweigende Bezirk sich unterm Himmel,
Dessen stille Schwelle
Die Gräber der dahingeschiedenen Helden birgt.
CECILIO
Was muss ich tun?
CINNA
Den versteckten Pfad beschreiten,
Der durch Ruinen zu ihm führt.
CECILIO
Was kann ich dort erhoffen?
CINNA
Er grenzt an den Palast des Silla.
Giunia steigt im Lauf des Tages
oft zu ihm herab, gefolgt von den Getreuen.
An des Vaters düsterem Grabe
Strömen gewöhnlich ihre Tränen.
Du wirst sie überraschen können,
Um die schon erlosch'ne Hoffnung
Ihr im Busen neu zu wecken
Und um Trost zu spenden.
CECILIO
Oh, wie selig bin ich!
CINNA
Ich werde anderswo inzwischen
Zu Deinem Schutz mit vielen Freunden wachen.
Hoffe nur! Die Götter geben heute noch,
Nach langer, qualvoller und erniedrigender Knechtschaft,
Rom die Freiheit, Dir die Braut.
Nr. 1 - ArieCINNA
Komm, wohin die Liebe lädt!
Komm! Dass ich in meiner Brust
Schon Deiner nahen
Freude Ahnung fühle.
Nicht immer ist das Meer erregt,
Der Himmel dräut nicht immer.
Einmal lacht er froh, besänftigt,
In Ruh' und Heiterkeit.
Geht abSZENE 2
Cecilio alleinBegleitetes RezitativCECILIO
Also kann ich hoffen,
Das Aug' am süssen, holden Bild zu weiden?
Schon stell' ich mir die Freude, ihre Überraschung vor!
Klingen hör ich schon,
Wie sie mich Liebster und mein Leben nennt.
Das Herz im Busen spricht mit Pochen
Von zarten Regungen und kündet mir …
Himmel! Allein geb' ich mich hier
Dem Überschwang der Freude hin
Und eile nicht, die Braut in meinen Arm zu schliessen?
Ach, Schmerzenstränen
Hängen jetzt vielleicht an ihren Wimpern.
Ratlos ist sie, ohne Hoffnung
Und verzweifelt über meinen Tod.
Nr. 2 - ArieCECILIO
Den zarten Augenblick,
Den Preis so vieler Liebe,
Malt in den Gedanken
Süss das Herz sich aus.
Und welche Freude wird es sein,
Die, ihr zur Seite, mich erwartet,
Wenn schon der Freude Vorgefühl
Mich so sehr betört.
Geht abSZENE 3
Gemächer der Giunia mit Statuen der berühmtesten Römerinnen. Silla, Celia, Aufidio und WachenRezitativSILLA
Dir, Celia, überlasse ich. an meine Liebe,
Meine Ruh' zu denken. Mach' sie weiser,
Des Marius starrsinnige und stolze Tochter.
Rate ihr endlich, mich nicht zu verachten.
CELIA
Du weisst, mein Bruder, dass ich bisher alles für
Dich tat. Ich schmeichle mir, zu seh'n,
Wie sie sich ändert.
AUFIDIO
Umsonst versucht man es
Mit Rat und Bitten bei der Stolzen.
Ein Diktator, der missachtet wird,
Den aber Rom bewundert und die ganze Welt,
Verwendet seine Macht und seinen Zorn,
Wenn anderes nichts nützt.
SILLA
Ich werde Macht gebrauchen.
Meine Gnade brachte nur Verachtung
Einer undankbaren Frau
Und beleidigenden Widerstand.
Noch heute folge sie mir zum Altar.
Meiner Gefühle Wunsch soll sie erfüllen,
Oder die neue Sonne steige nicht mehr für sie auf.
CELIA
Ach, Silla, ach, mein Bruder,
Ich zittere um Deinetwillen,
Wenn Du zum Äussersten
Dich treiben lässt.
Leider ist Gewalt so oft
Unselige Mutter schwärzester Missetaten.
SILLA
Was bleibt mir denn noch zu versuchen,
Wenn sie mich beständig flieht und mich verachtet?
CELIA
Wende Zartgefühl und Sanftmut an.
Wenn es Wahrheit ist,
Dass ich mich rühmen kann,
Bisher ein wenig Einfluss auf Dein Herz zu haben,
Dann lass es, Giunia zu verfolgen.
Bald kommt sie zu Dir. Dann hör' sie an.
Sie ändert dann vielleicht einmal den Sinn.
SILLA
Ich erweise ihr noch einmal meine Gnade.
Giunia soll darauf warten
Und als Gatte spreche ich mit ihr.
Mit meiner Liebe, meiner Güte,
Soll sie aber keinen Missbrauch treiben
Und zittere, wenn Silla schliesslich
Als gekränkter Herrscher spricht,
Unnachsichtig gemacht durch sie.
CELIA
Vertraue mir, mein Bruder.
Giunia wird heute klüger sein.
Geheime Hoffnung nährte sie bisher
Vielleicht in ihrem Herzen.
Ist ihr Bräutigam nicht mehr,
Kann sie die Liebe nicht mehr locken.
Vorsichtig erneuere Dein Werben.
Wenn schon ein naher Liebster
Über einen fernen triumphiert,
Ist der Triumph ein Leichtes
Über den, der seines Lebens schon beraubt.
Nr. 3 - ArieCELIA
Wenn den Liebenden die Hoffnung nicht mehr blüht
Um sich an ihr zu weiden,
Schwindet unter den Beständigsten
Auch die Treue hin.
Dieses Herz, so treu und zart,
Ach ja, gerade jenes Herz,
Das so starr nun ist,
Jenes Herz wird sich Dir beugen.
Geht abSZENE 4
Silla, Aufidio und WachenRezitativAUFIDIO
Es schmerzt mich, Herr, Dich immer noch
Ablehnung und Beleidigungen ausgesetzt zu sehen.
Zu demütigen Bitten
Soll ein Plebejerherz sich beugen.
Silla aber, der stolze Schrecken Asiens.
Sieger über Pontus. Richter des Senats,
Der einen Mithridates unterworfen sah zu seinen Füssen.
Erniedrigt sich vor einem Mädchen?
SILLA
Ein grossmütiges Herz wird durch die Liebe
Nicht erniedrigt. Nennst Du sie Erniedrigung,
Dann ist auch unter den Helden,
Die fernste Provinzen unterworfen und erschüttert haben,
Einer nicht, der nicht erniedrigt wäre.
An diesem Tag noch, Freund
Wird Giunia meine Braut.
AUFIDIO
Sie kommt.
Sieh starrsinnige Liebe,
Tiefen Hass in diesem
Antlitz ausgedrückt.
SILLA
Hören will ich sie. Lass mich allein
Aufidio geht abSZENE 5
Silla, Giunia und WachenRezitativSILLA
Muss ich Dich immer leidend
Und in Tränen sehen?
Kann es nicht einmal sein,
Dass sich Dein schönes Auge
Heiter zu mir wendet?
Himmel! Du gibst keine Antwort,
Seufzt und bist verwirrt.
Ach ja, enthülle, was Dich qualvoll so erregt,
Und erblassen lässt; warum Du kunstvoll meidest,
Dass meine Augen Deine treffen?
GIUNIA
Weil Du allein mein Hass bist, Niederträchtiger!
SILLA
Ach nein, ich kann nicht glauben,
Dass gegen mich so stolze Grausamkeit
In Deinem schönen Herzen wohnt.
Hass und Liebe haben ihre Grenzen.
GIUNIA
Bei mir nicht. So sehr ich den Gatten lieben werde,
Werde ich Silla hassen. Hass und Liebe reichen
Bis zum Tod und werden, Dir zum Trotz,
Sich in dieser Seele nimmer wandeln.
Er wird immer meine Liebe sein und Du mein Hass.
SILLA
Sag' mir aber, wodurch beleidigte ich Dich,
Dass Du so sehr mich hasst?
Giunia, was tat ich nicht für Dich?
Der Tod nahm Dir den Vater
Und grosszügig biet' ich Dir Asyl in meinen Mauern,
Erfülle jede Pflicht der Gastlichkeit.
Trotzdem willst Du mich weiter hassen
Und bleibt Silla ein Verworfener für Dich?
GIUNIA
Ausbreiten sollte ich die Arme also
In Liebe für den Feind des Vaters?
Vergessen würdest Du,
Wie Du barbarisch gegen ihn verführst?
Mein Bräutigam,
Gemeinsam mit den würdigsten der Bürger,
Schmachtet, leidet in Verbannung, stirbt vielleicht.
Und den, der Grund zu allem ist, den soll ich lieben?
Zu Deiner höchsten Pein, schwör' ich Dir von neuem:
Cecilio lieb' ich noch!
Ist er auch tot, achte ich in ihm die Wahl des Vaters.
Auch, wenn das unmenschliche Geschick
Ihn von meiner Seite riss,
Deine verruchte Liebe unterstützend,
Lebt et in diesem Herzen immer weiter.
SILLA
Stolze, lieb' ihn nur,
Verabscheue mich als feindlichen Tyrannen.
Höre. Angesichts so vielfacher Beleidigung
Will ich Dir noch Zeit zur Reue lassen.
Aberwitzigen Stolz, unnütze Gefühle,
Ungesunden Hass vergiss,
Oder bereite Dich, den düsteren Schatten
Deines Vaters und des Bräutigams
Zum glühenden Erebus zu folgen.
GIUNIA
Du nimmst an, des grossen Marius Tochter
Durch das Bild des Todes zu entmutigen?
Keine Hoffnung habe Platz in Deiner Seele.
Die meine Liebe schänden könnte.
Wenn Du als unmenschlich Dich erweist,
So wird sich zeigen,
Wozu ein echtes Römerherz dann fähig ist.
SILLA
Denke mehr an die Gefahr, oh Giunia,
Denke und entschliesse Dich.
Einen Rest von Mitleid fühl' ich noch,
Weil ich Dich liebe.
Ach ja - entschliess' Dich eines Besseren.
GIUNIA
Ich bin schon entschlossen.
Den Befehl des toten Vaters
Will ich immer achten,
Vor Silla immer Abscheu haben,
Stets den Bräutigam verehren
Und sterben dann.
Nr. 4 - ArieGIUNIA
Vom düstern Ufer
Kommt, oh Vater, oh geliebter Bräutigam,
Den letzten Atemzug der Tochter
Und der Braut zu Euch zu nehmen.
In Zorn und Raserei
Tobst Du, oh Barbar.
Dies ist aber nicht allein
Oh Falscher, Deine höchste Pein.
Ich werde zufrieden sein,
Dass Du nicht mehr an meiner Seite bist.
Mit Gewissensqual im Herzen
Bleibst Du jedoch zurück.
Geht abSZENE 6
Silla und WachenRezitativSILLA
Kann ich so übermütiges Beschimpfen dulden?
Soviel Beleidigung erschüttert diese Seele nicht.
Was machte töricht sie in solchem Masse?
Ein Herrscher, der sosehr beleidigt und verachtet wird
Von der unbesonnenen und kühnen Frau …?
Und doch … oh, ich erröte …
Begleitetes RezitativDoch gefällt sie mir!
Gefällt sie mir?
Errötet Sillas Herz nicht mehr ob seiner Schwäche?
Das Gefühl soll schweigen, sterben soll die Stolze.
Wer mich nicht lieben will, fürchte meinen Zorn.
Soll sie mich grausam nennen,
Verabscheuen meine Hand, mein Herz, mein Fühlen.
Von heut' an werde ich Tyrann ihr sein.
Nr. 5 - ArieSILLA
Der Wunsch nach Rache und nach Tod
Entflammt mich und erregt die Brust.
Jede verschmähte zarte Regung
Dieser Seele wandelt sich in Wut.
Zuletzt, in diesem unheilvollen Zwist vielleicht,
Wirst Du Dein Leben
Noch von mir verlangen.
Vergeblich wird Dein Weinen dann
Und umsonst Dein Kummer sein.
Geht mit den Wachen abSZENE 7
Prächtige Halle, sehr dunkel, mit Monumenten der Helden Roms. Cecilio alleinBegieitetes RezitativCECILIO
Tod, unseliger Tod. Hier sind die Taten Deiner Hand,
In diesen kalten Grüften!
Helden, Fürsten, Herrscher,
Die die Erde einst verwüsteten,
Bedeckt der enge Marmor. schliesst sie ein.
In aberhundert Kehlen widerhallte
Staunend einst die Welt von ihren Taten.
Jetzt umhüllt sie schweigend tiefer Schauer.
Götter! - Wer naht sich hier?
Giunia - die liebe Braut? - Ach, nicht allein.
Ich verberge mich, doch wo? Oh Himmel!
Welch ein Pochen in der Brust ? oh welche Freude!
Was soll ich tun? Bleiben? Gehn?
Oh Himmel! Hinter dieser Urne hier
Versteck' ich mich und schöpfe Atem.
Versteckt sich hinter dem Sarg des MariusSZENE 8
Giunia naht, gefolgt von jungen Frauen und Edlen ? KlagegesangNr. 6 - Chor und AriosoCHOR
Aus diesen düsteren Urnen
Tretet nun hervor, ihr ehrwürdigen Seelen.
Nehmt zornig Rache
Für die Freiheit Roms.
GIUNIA
Bist Du um mich,
Oh meines Vaters teurer Schatten,
Sollen meine Seufzer, meine Tränen
Dich zu Mitleid rühren.
CHOR
Der Stolze, der am Kapitol
Die Zügel Roms ergriffen hat,
Sei heute noch vom Thron gestürzt,
Als Beispiel allen Zeiten.
Regleitetes RezitativGIUNIA
Oh Vater, dem verruchten Silla
Galt stets Dein Hass, als Du noch lebtest.
Deiner Tochter Giunia
Fliesst auch in den Adern Römerblut,
Sie kommt zu Deinem Grab und fleht.
Auch Du, geliebter Schatten
Des verlorenen Geliebten,
Eile herbei, um Deiner Braut zu helfen.
Fern von Dir, hasst sie die trübe Luft
Dieses bitteren Lebens.
SZENE 9
Cecilio, die VorigenCECILIO
Hier bin ich - oh Geliebte.
GIUNIA
Himmel! … Ich zittere! … Was sehe ich?
Bist Du es? … Phantasiere ich vielleicht?
Ein Geist vielleicht? Bist Du es selber?
Täuscht mich mein Augenlicht? oh Götter!
Ach, ich weiss noch nicht,
Ob ich mich dieser süssen Illusion ergeben kann?
Also … Du … bist …
CECILIO
Dein Treuer bin ich.
Nr. 7 - DuettGIUNIA
Im Elysium erwarte mich,
Schatten meines Liebsten,
Auf dass, Oh Gott, der Himmel
Mich bald mit Dir vereinen soll.
CECILIO
Geliebte, treue Braut.
Diese Seele findet das Elysium
Einzig in Deinem lieben Angesicht.
GIUNIA
Liebster … oh Götter? Du atmest noch?
CECILIO
Ganz in Treue, ganz in Liebe.
GIUNIA. CECILIO
Glücklich meine Seufzer.
Glücklich meine Schmerzen.
GIUNIA
Du meine Hoffnung!
CECILIO
Innig Geliebte!
GIUNIA, CECILIO
Sie fassen sich an den Händen
Jetzt, wo Du an meinem Herzen bist, Geliebte/Geliebter
Zeigt mir das Weinen meiner Augen,
Dass auch die Freude ihre Tränen hat.
ZWEITER AKTSZENE I
Bogengang, geschmückt mit Kriegstrophäen. Silla, Aufidio und WachenRezitativAUFIDIO
Oh Herr, ich habe Dir vorausgesagt,
Dass diese Stolze unmo hartnäckiger sein wird,
Je mehr Du Gnade zeigst und Liebe.
SILLA
Sie wird mich kaum mehr so beleidigen können.
Ich habe mich entschlossen, sie muss sterben.
Ich habe schon genug von ihr geduldet.
AUFIDIO
Kann Dein treuer Freund
Offen mit Dir sprechen?
SILLA
Sprich!
AUFIDIO
Du weisst, dass es auf dieser Welt
Keine Helden, die nicht ihresgleichen haben, gibt.
Trifft das nicht auch für die Ämilier und Scipionen zu?
Trotz seiner Heldentaten,
Gilt es auch für den an Ruhm so reichen Silla.
SILLA
Ich weiss es nur zu sehr.
AUFIDIO
Du reichst, durch Giunias Tod
Deinen Feinden eine Waffe gegen Dich.
Sie ist eines Marius Tochter
Und dieser Marius ist als Gefahr für Dich,
In seinen Freunden noch lebendig.
SILLA
Was soll ich tun?
AUFIDIO
Angesichts des Volks und des Senats
Sei die Stolze Deine Frau.
Angeblicher Eifer,
Den alten Hass beschwichtigen zu wollen,
Soll die Gewalt verschleiern.
Wer wird sich Deinem Willen widersetzen?
Bewaffnete umgeben Dich in reicher Zahl.
Jeder fürchtet Dich als Helden,
Der jeden Bürgerzwist bisher
Bezwungen hat und herrscht.
Vor Deinen Blicken zittert der Senat und Rom.
Zustimmung der Allgemeinheit sichere dir Absicht, Herr.
Stets folgt das Recht dem Stärkeren.
Wer, der umgeben ist von tausend Heeren,
Beugt sich, um zu flehen?
Befiehl, anstatt zu bitten und zu reden.
SILLA
Wenn mich die undankbare Frau,
Vor den Augen Roms und des Senats
Verächtlich von sich weist,
Was soll ich tun?
AUFIDIO
Die Stolze widersetzt sich nicht.
Du wirst es sehen,
Wie das starre Herz
Nachgeben wird dem Spruch des Volks von Rom.
SILLA
Freund, ich folge Deinem Rat. Himmel! Wissen sollst Du …
Dir gestehe ich die Schwäche.
Wenn ich Bluttaten entgegengehe
Und Gewaltanwendung, ist das Herz in Sillas Brust
Von grässlicher Gewissensqual zerrissen und bedrückt.
Höchsten Widerspruch fühl' ich in mir
In jenen Augenblicken.
Ich schaudere davor, ich will es,
Verachte, liebe es und werde kühn.
AUFIDIO
Dieser Wankelmut, 1ass es Dir sagen,
Überschattet Deine hohen Werte.
Jeder Gewissensbiss ist der Feigheit Sohn.
Kühn und frohgemut nimm meinen Rat.
Gezwungen sei das stolze Weib,
Deine Braut zu werden, ihr zum Trotz.
Nr. 8 - ArieAUFIDIO
Ein Krieger ziehe nicht ins Feld,
Der vor dem Blinken eines Stahls erbleicht
Und der dort nur die Beweise
Seiner Feigheit gibt.
Einmal gibt er sich der feigen Furcht,
Ein andermal der Hoffnung hin.
Was ist Unbeständigkeit,
Ist es nicht dies?
Geht abSZENE 2
Silla, dann Celia und WachenRezitativSILLA
Ach nein. Ich hätte nie geglaubt,
Dass es einem ruhmbedeckten Mann von Grösse
So hart ankäme, schlecht zu werden.
CELIA
Alles habe ich bisher versucht.
Mit Bitten, Härte, Versprechungen und Drohen
Bedrängt man Giunias Herz umsonst.
Nicht denken kannst Du Dir, mein Bruder,
Wie ich für Dich …
SILLA
Ich weiss, was Du mir sagen willst.
Silla schuldet dem nicht weniger Dank,
Der, wenn auch vergeblich, sich für ihn bemüht.
Das Verdienst wird nicht geschmälert,
Durch widrige Ereignisse, die den Erfolg behindern.
Giunia wird noch heute meine Braut.
CELIA
Giunia Deine Braut?
SILLA
Nach dem „Wie“ sollst Du nicht forschen.
Dass ich zufrieden bin, genüge Dir.
CELIA
Warum verbirgst Du das Geheimnis?
Weshalb bringst Du nicht Klarheit in die dunklen Worte?
SILLA
leiseWeil ein Geheimnis wenig sicher ist bei einer Frau ?
Mein Schweigen soll Dir nicht missfallen.
Hör zu,
Als Cinnas Braut wünsch ich mir Dich noch heute.
CELIA
leiseIch Glückliche! ?
Ach, lass mich Deinem treuen Freund
Die frohe Botschaft bringen.
Offenbaren sollen endlich meine Lippen,
Dass er allein mein Liebster ist,
Dass ich ihn immer lieben werde,
Wie ich ihn jetzt verehre.
Geht abSILLA
Nun auf zum Kapitol,
Um den wohldurchdachten Plan voranzutreiben
Und Ränkekunst sei angewandt,
Dass meine Feindin zum Altar mir folgt.
Ach ja, ich weiss,
Dass ich Ihrer Hand Besitz
Um jeden Preis erwerben muss.
SZENE 3
Cecilio ohne Helm, ohne Mantel, mit blossem Schwert, Silla verfolgend. Cinna hält ihn zurückCINNA
Welche Raserei bringt Dich hierher?
CECILIO
Halte meinen Arm nicht auf.
Den Schritten des Tyrannen folge ich.
Der blosse Stahl durchbohre ihm die Brust.
CINNA
Halt ein!
Wodurch entstand Dein Zorn so jäh?
CECILIO
Es genüge Dir, zu wissen,
Dass ich nicht einen Augenhblick
Die Tat verschieben kann.
CINNA
Und die Gefahren?
CECILIO
Fürchte ich nicht
Und missachte jeden Rat.
CINNA
Ach, um Himmels willen, höre mich …
Enthülle mir … sag mir … oh Himmel!
Welch ein Stammeln
Und welch wutentbrannter Blick.
Diese Mühe, um mir zu entgehen,
Um Dich mutig der verhängnisvollen Prüfung auszusetzen.
Tausendfältiger Verdacht
Erwacht in meiner Brust.
Sprich. Gib Antwort …
CECILIO
Du wirst alles wissen.
CINNA
Niemals lasse ich Dich fort.
CECILIO
Weshalb hältst Du des Volkes Rache auf?
CINNA
Nur weil ich wünsche, dass sie sicher ist.
CECILIO
Ungewiss wird sie nicht sein.
CINNA
Durch vorzeit'ge Kühnheit, die vergeblich ist
Willst Du den Faden
Meines wohldurchdachten Plans durchtrennen?
Wo Du Dein Leben mehr noch lieben solltest, ihretwegen,
Stürzt Du bedenkenlos Dich in ein kühnes Unterfangen.
Brich nun Dein Schweigen,
Offenbare mir,
Was Dich in solchem Masse wütend machte.
CECILIO
Die schaurige Erinnerung
Entfacht in meinem Busen neuen Zorn.
Hör zu und staune.
Als die bedrückte Seele an der Seite meiner Braut
Süsse Stärkung fand in ihrer Pein,
Und Giunia ihre Schritte kaum vom düsteren Ort entfernt,
Umfing die Augen leichter Schlaf.
Oh Himmel! Ich erstarre noch vor Schauder!
Da schien das kalte Grab ich aufgesperrt zu sehen,
In dem des Marius verblichene Glieder ruhn.
Das hohle Auge richtet er auf mich,
Schüttelt den Schädel dreimal zornig, wild
Und ich hör' wie er mit heiserer Stimme ruft:
»Wozu hältst Du Dich auf an meinem Grab, Cecilio?
Geh und treibe an zur allgemeinen Rache,
Zum ersehnten Augenblick.
An Deiner Seite hänge müssig nicht das Schwert.
Ach, wenn das grosse Werk Du zu vollbringen säumst,
Das des Marius ungerächter Schatten
Dir heute auferlegt und rät,
Wirst Du die Braut verlieren, ich die Tochter.«
Begleitetes RezitativCECILIO
Der stolze Klang der Drohungsworte
Erschütterte die Seele.
Von den bestürzten Augen wich der Schlaf.
Raserei entflammt' mich plötzlich. Da erfasste ich den Stahl.
Der Fuss hielt ängstlich mich nicht mehr zurück.
Den schuldbeladenen Tyrannen hinzumorden kam ich her.
Ach, halte mich nicht mehr zurück.
CINNA
Bleibe. Zügle ein wenig nur
Das wilde Toben Deines Zorns.
Ach, wenn Silla kommt, bist Du verloren.
CECILIO
Eines Tyrannen Blicke soll ich fürchten?
Ermorden soll ihn eine andere Hand? Niemals!
Immer sehe ich um mich
Des Marius bleichen Schatten, Ruhe suchend.
Seiner Worte stolzer Klang
Hallt mir jeden Augenblick im Ohr,
Jetzt, wo ich an Deiner Seite bin.
Lass mich …
CINNA
Ach, wenn Du Deine eigene Gefahr
Schon so sehr verachtest,
So denk' doch wenigstens daran,
Dass das Leben Deiner teuren Braut
Abhängig ist von Deinem Leben.
Oh Himmel! Für so teure Tage …
CECILIO
Oh Giunia, oh Name. Der Gedanke nur, mein Freund,
Dass ich sie verlieren könnte,
Entwaffnet den ungestümen Zorn.
Ach, lauf für mich und fliege,
Vergiesse Du an meiner Stelle des Tyrannen Blut.
Oh Götter! An der Seite meines Feindes bleibt
die Braut inzwischen - ach - wer verteidigt sie?
Welch ein Widerspruch, ihr ewigen Götter, welche Qual.
Furcht, Kummer, Zorn, Hoffnung und Raserei
Fühle ich in meinem Herzen. Was davon siegen wird,
Das weiss ich nicht. Noch, was ich denken soll.
Ich entschliesse mich noch nicht?
Giunia sei gerettet oder an ihrer Seite sterbe ich,
Nr. 9 - ArieCECILIO
Dieses Beben, das so plötzlich
Meine Brust ergreift,
Kommt es von Hoffnung oder Raserei?
Ich weiss es nicht.
Des Inneren Aufruhr,
Höchste Raserei,
Sei es aus Hoffnung oder Wut,
Fürchten soll es der Verräter.
Geht abSZENE 4
Cinna, dann CeliaRezitativCINNA
Ach ja, rasch nun zur Tat!
Zögert der Himmel die Strafe
Für den Frevler noch hinaus,
Dann wartet er, bis die verbrecherischen Übeltaten
Der Tarquinier sich in unseren Zeiten wiederholen.
CELIA
Welcher Kummer, welche Sorge
Umwölken Deine Stirn?
CINNA
Anderswo soll ich schon sein.
Halte mich nicht auf.
CELIA
Immer fliehst Du mich?
CINNA
Lebwohl!
CELIA
Für einen Augenblick nur
Hör' mich an. Dann geh.
CINNA
Was ist Dein Begehr?
CELIA
leise- Oh Götter! Reden möchte ich und kann es nicht. -
Wissen sollst Du, dass mein Bruder …
CINNA
Sprich!
CELIA
… wünscht …
leise- Ach, ich verwirre mich und fürchte,
Dass mich der Grausame nicht liebt. -
Ja, wisse … - Oh Himmel!
Weshalb bin ich vor ihm verwirrt, den ich verehre?
Heute wird er noch mein Gatte sein
Und doch wage ich nicht, es ihm zu offenbaren. -
CINNA
Dem Stammeln
Kann ich nicht verstehen.
CELIA
leise- Gibt er vor, der Undankbare! -
Jetzt, wo ich, in Zweifeln schweige.
Spricht nicht mein Herz zu Dir, für mich?
Was kann ich sagen?
Meine Blicke schmachten schon zu sehr
Und mein Schweigen sagt Dir schon genug.
Nr. 10 - ArieCELIA
Wenn schon die Lippe
Schüchtern es nicht wagt,
Die verborgene Flamme zu enthüllen,
Sollen diese Augen für sie sprechen.
Enthüllen Sie mein ganzes Herz.
Geht abSZENE 5
Cinna, dann GiuniaRezitativCINNA
Aus Liebe einer Schwäche nachzugeben fähig
War Cinnas Seele bisher nicht.
Sollte sie sich jemals so erniedrigen -
Nein - nicht die Schwester eines ruchlosen Usurpators
Habe dieses Herzens ersten Preis.
Giunia nähert sich.
Ach, sie allein nur kann das grobe Werk vollbringen,
Das ich im Sinne habe.
Sie scheint bewegt, schmerzlich versunken
In düstere Gedanken.
GIUNIA
Silla verlangt von mir,
Dass ich dem Volk und dem Senat mich zeige.
Was kann der Niederträchtige wollen?
Weisst Du, was seine Absicht ist?
CINNA
Näher als Du denkst, vielleicht
Ist heute Sillas Tod,
Als Rache für die Freiheit Roms.
GIUNIA
Alles erhoffen wir
Von der Barmherzigkeit des Himmels.
Deiner Sorge überlasse ich inzwischen
Den geliebten Bräutigam. Ich verdanke Dir die Freude,
Ihn zu sehen, ais ich ihn tot geglaubt.
Ach, nun wache über ihn, bemühe Dich,
Ihn vor den Blicken des Tyrannen zu verbergen.
CINNA
Vertraue mir und fürchte nicht für seine Lebenstage.
Hör zu. Weisst Du, was Silla will,
Angesichts der Senatoren und des Volks von Rom?
Deine Hand will er. Als Rechtfertigung für die Gewalt
Will er ihr Jawort haben.
Oh Giunia, seinen ganzen Plan seh' ich vorher.
GIUNIA
Über mich bestimme ich allein.
Einer feigen Furcht ergeben mag sich der Senat,
Nicht aber dieses Herz.
CINNA
Wenn Du es willst, oh Giunia,
Hängt von Dir ein grosser Anschlag ab,
GIUNIA
Was kann ich tun?
CINNA
In das Bett, in welches er Dich lädt,
Folge dem Tyrannen.
Dort aber lasse er durch Deine Hand sein Leben.
GIUNIA
Oh Himmel! Was sagst Du nur?
Durch feigen Betrug sollte Giunia …
CINNA
Törichte Angst. Erinnere Dich doch nur,
Dass das Blut von Frevlern zu vergiessen,
Immer schon den höchsten Göttern
Ein willkommenes Schauspiel war.
GIUNIA
Wenn ein Plebejerleben uns schon heilig ist,
Wie soll nicht kalter Schauder
Aufsteigen in meiner Brust,
Soll ich den Diktator selbst durchbohren?
Wenn tyrannisch auch und ungerecht,
Herrscht doch Silla über Rom und den Senat
Und vergeblich nimmst Du an,
Dass ich mich seines Todes schuldig machen könnte.
Ein Opfer sei er,
Doch von der Hand der Götter.
CINNA
Wenn an jenem Tage
Brutus die Götter zu beleidigen gefürchtet hätte,
Verdankte Rom ihm seine Freiheit nicht.
GIUNIA
Brutus hat die Knechtesketten
Der Freiheit Roms
Im Kriegslager gebrochen, in Feigheit nicht.
Nein, mein Name sei niemals befleckt
In künftigen Tagen durch niedrigen Betrug.
Bewahre mir, oh Freund, bewahre mir den Liebsten!
Denke doch an seine Rettung nur.
An die Rache lass den Himmel denken.
Geh, schnell! Der Liebste könnte, fern von Dir,
Durch übermässigen Wagemut …
Seine ungestüme Seele kennst Du ja!
Hab' Mitleid,
Mach, dass vor den Blicken er verborgen bleibt.
Sag ihm, dass er seine und auch meine
Lebenstage doch bewahren soll,
Wenn er mich liebt und treu mir ist.
Dir vertraue ich ihn an.
Nr. 11 - ArieGIUNIA
Wenn ich der entsetzlichen Gefahren
Des Geliebten mich erinnere,
Lässt alles mich erschaudern,
Lässt alles mich erstarren.
Wacht die Freundschaft nicht
Über seinem teuren Leben,
Von wem ist Hilfe zu erhoffen,
Von wem Barmherzigkeit?
Geht abSZENE 6
Cinna alleinBegleitetes RezitativCINNA
Ach, schütteln wir das unwürdige Joch nun ab.
Schon lang genug
War Rom der Knechtschaft unterworfen.
Lehnt Giunia das Blut des Frevlers zu vergiessen ab,
So wird ein Arm nicht fehlen,
Der so ängstlich nicht,
Den mörderischen Stahl ihm in den Busen taucht.
Nr. 12 - ArieCINNA
Im Augenblick des Glücks,
Den er in seinen Wünschen nahe sieht,
Will ich, dass zur Rache aller,
Er sein Leben aushaucht, mir zu Füssen.
Schon ist die stolze Hand
Glücklich über diese Tat.
Die Rache dieser Rechten
Ist ihm nicht mehr fern.
Geht abSZENE 7
Hängende Gärten. Silla, Aufidio und WachenRezitativAUFIDIO
Herr, auf Dein Zeichen ist der Senat bereit.
Bald wird er Dich hören.
Mit einem Kranz von vielen auserlesenen Scharen
Habe ich indessen
Listig ihn umstellt.
SILLA
Das Geheimnis wahren soll Freund Cinna.
Zu dem Werk ist seine Unterstützung nötig.
Ach, dass ich mich selbst in mir nicht wiederfinde!
Wohin ich mich auch immer wende,
Haben die Gedanken
Lieblich das Bild der Grausamen vor sich.
Ihr lieber Name klingt mir immer auf den Lippen
Und das Herz spricht nur von ihr.
AUFIDIO
Auf dem Höhepunkt des Glückes sehe ich Dich schon.
Nutz' die Macht, die Dir der Himmel gab,
Rom, der Senat and jede stolze Seele
Sollen nun vor Deiner Macht
Die Stirn zu Deinen Füssen beugen.
Geht abSILLA
Ja, mit Bürgerblut will ich die Strassen überschwemmen,
Wenn Rom sich heute hochmütig
Gegen Sillas Wünsche stellt.
Mein Recht hab' ich im Herzen und im Arm.
Giunia? - Welch Anblick!
Ihr schönes Angesicht
Entschuldigt meine Schwäche.
Ach, seh' ich sie, oh Götter,
Bin der gekränkte Herrscher ich nicht mehr,
Vergesse die Missachtung und verzeihe sie.
SZENE 8
Silla und WachenRezitativGIUNIA
leiseSilla! Eine Qual für mich
Ist der verhasste Anblick. Ich fliehe. -
SILLA
Verweile doch.
Hab' Mitleid, höre mich.
Du machst aus mir den
Unglücklichsten der Sterblichen.
Wenn Du als Feindin vor mir fliehst …
GIUNIA
Was forderst Du?
Hinweg, Verräter!
leiseIch zittere und habe Angst um meinen Liebsten. -
SILLA
Ach nein, ich bin nicht so tyrannisch, wie du glaubst.
Sillas Seele ist der Tugend fähig.
So ernst kann ich
Dein schönes Auge nicht ertragen.
GIUNIA
Der Tugend fähig? - Lügner.
SILLA
Höre mich.
GIUNIA
Ich höre Dich nicht an.
SILLA
Willst Du …
GIUNIA
Ja, ich will,
Dich verachten - sterben.
SILLA
Sterben?
GIUNIA
Den Tod fürchtet kein Römerherz.
SILLA
Du könntest … ?
GIUNIA
Ich kann -
Eher als Dich lieben, sterben.
Geh!
SILLA
Du wirst sterben, Stolze, aber nicht allein.
Nr. 13 - ArieSILLA
Jedes Mitleid tu ich von mir ab,
Kühnes, falsches Weib.
Wenn zu sterben Dir gefällt,
Werde ich den starren Stolz
Bald zittern sehen.
Doch - es schlägt mein Herz …
Verlieren, die ich liebe?
Durchbohren als Barbar das teure Wesen? -
Was sage ich?
Ist meine Seele feig in solchem Masse?
Zorn und Raserei ergreifen mich!
Zu sterben sehnst Du Dich?
Grausam nennst Du mich?
Zittre davor, oh Falsche,
Ich werde grausam sein.
Geht mit den Wachen abSZENE 9
Giunia, dann CecilioRezitativGIUNIA
Was habe ich vernommen, ewige Götter?
Welch ein düsteres und schreckliches Geheimnis
War in seinen Worten? Allein soll ich nicht sterben?
Barbar, was willst Du damit sagen?
Ach! Was sehe ich? ? Mein Bräutigam!
Was ist geschehen?
Ach, Unbesonnener, wohin begibst Du Dich.
Dass Dein Leben niemals sicher ist in diesen Mauern,
Weisst Du wohl.
Hast Du nicht Angst, der Feinde Luft zu atmen?
In diesem Augenblick ist der Tyrann gegangen.
Ich zittere - so fliehe doch! Ach, wenn des Tyrannen Blicke …
CECILIO
Meine grösste Angst, oh Giunia,
Ist die Gefahr für Dich.
GIUNIA
Um Himmels Willen, kehre um, wenn Du mich liebst, mein
Teurer.
Ach, kehr' zurück an Deinen finstern Zufluchtsort.
Welche Marter ist's für mich, Dich zu erblicken!
CECILIO
Oh Liebste, Deine Angst
Soll meine süsse Freude nicht verbittern.
GIUNIA
Unheilvolle Freude,
Wenn mein Herz dem eisigen Schrecken überlassen ist.
Solang Du über Deine Tage noch entscheiden kannst,
Verstecke Dich!
Ach, seit ich lebe, nein, - welch ähnliche Bedrängnis …
CECILIO
Du willst, dass ich dem Feigling
Dich allein zum Raube lasse?
Dass der gottlose Tyrann Dich mit Gewalt
Und widerrechtlich zum Altare schleppen will,
Vor dem Senat, ist mir bekannt. Und ich, der ich Dich liebe,
Könnte fern von Deiner Seite sein
Und nicht vor Kummer sterben?
Wenn man vergebens einen Arm sucht, einen Stahl,
Der das Blut des Grausamen vergiesst,
Den ich hasse und verachte, -
Hier ist der Stahl und hier der Arm!
GIUNIA
Ach! Was denkst Du nur … Aussetzen willst Du dich …?
Höchsten Gefahren willst Du allein entgegengehen?
CECILIO
Dich schreckt alles und ich fürchte mich vor nichts.
Bezähme Deine Angst, Du meine Hoffnung,
Und erinnere Dich daran,
Dass man übermässige Furcht in einem Römerherzen
Feigheit nennen kann.
GIUNIA
Doch allzugrosse Kühnheit
Nennt man Verwegenheit.
Ach, verbirg Dich, oh Geliebter!
Gib diesen Augen nicht, in der Gefahr,
Zum Weinen neuen Grund.
CECILIO
Ewige Götter! Dich verlassen? Von Dir gehen?
Dich der verruchten Hinterlist,
Und dem Zorne des Verräters überlassen,
Der sich mit Dir vermählen will?
GIUNIA
Was kannst Du fürchten,
Wenn Beständigkeit und Liebe bei mir bleiben?
Lauf doch, lauf, von wo Du flohst!
Befrei das Herz, das Dich verehrt,
Von seinem Schmerz und seiner Furcht.
Ich muss es Dir befehlen, wenn Du es nicht tust!
CECILIO
Wer wacht, Dich zu verteidigen, oh Giunia,
An diesem Schreckenstag,
Wenn ich vor dem Tyrannen mich verberge?
GIUNIA
Der Himmel!
CECILIO:
Ach, - nur dass die Götter manchesmal …
GIUNIA
Wozu bringt Dich blinde Wut?
Trotz meiner Ängste bleibst Du noch an meiner Seite?
Willst Du nicht gehen?
Undankbarer! Du stürzt mich in den Tod.
CECILIO
Bleibe - höret mich, oh Götter.
So willst Du mich verlassen?
GIUNIA
Meinen Schritten hüte Dich zu folgen.
CECILIO
Ich werde zu sterben wissen,
Nicht aber, Dich zu lassen.
GIUNIA
leiseOh Himmel!
Ich verliere ihn! Was tu ich mir'
CECILIO
Liebste, Du weinst, …
Ach, Dein Tränen …
GIUNIA
Ach ja, um dieser Tränen willen,
Wegen dieser Augen, ohne Hoffnung
Geh, geh von mir - verbirg Dich. Lebe!
CECILIO
Wozu zwingst Du mich!
GIUNIA
Endlich!
Gibst Du mir durch dieses Zeichen
Den Beweis für Deine zarte Liebe?
Wie antwortest Du, mein Leben?
CECILIO
Ja, ich verspreche es.
GIUNIA
Fliehe denn, mein Teurer.
Du ängstigst Dich vergebens, wenn um mich Du bangst.
Denk, dass der Himmel die Gerechten schützt
Und dass ich zu ihnen stets gehören werde.
Hier meine Hand zum Pfande der beständigen Liebe,
Die ich Dir versprach,
Und die den nichtswürdigen Verräter
Auf den Tod verachtet.
Begleitetes RezitativCECILIO
Wer weiss,
Ob dieses nicht das letzte Mal ist,
Oh Gott, dass ich meiner Liebsten teure Hand
Als Beweis der wahren Treue an den Busen drücke …
GIUNIA
Nein, fürchte nicht. Flieh und hoffe.
Nr. 14 - ArieCECILIO
Ach, wenn mein grausames Geschick
Mich ans Sterben ruft,
Folg' ich Dir als treuer Schatten,
Werde immer bei Dir sein.
Standhaft möchte ich mich zeigen,
Sag' ich Dir Lebewohl, Geliebte,
Doch fühl' ich, wie ich bebe,
Oh Gott, wenn ich Dich lassen muss.
Geht abSZENE 10
Giunia, dann CeliaRezitativGIUNIA
Warum pochst du mir im Busen
Mein kummervolles Herz? Warum ist mein
Gesicht bedeckt von Tränen, nun, wo ich den
Bräutigam nicht mehr an meiner Seite sehe?
CELIA
Oh Himmel! So in Tränen,
So leidend treff' ich Dich?
Die starrsinnige Seele
Schicke sich doch endlich in ihr Los.
Und Rom soll Dich als Braut des Herrschers sehen.
GIUNIA
Lass mich in Ruhe, bitte.
CELIA
Wenn Cecilio gestorben ist, in der Härte der Verbannung,
Warum hegst Du für ihn unnütze Beständigkeit?
GIUNIA
leiseSein Name lässt mein
Herz erstarren. -
CELIA
Du blickst nicht auf
Und unter Schluchzen, Seufzen,
Schweigst Du mit bleichen Lippen.
Folge meinem Rat.
GIUNIA
Lass mich in Frieden.
CELIA
Ich wünsche mir, Dich froh zu sehen.
Mein Bruder wird auch mich heut' glücklich machen.
Cinnas Hand versprach er mir.
Du weisst, wie ich ihn treu verehre.
Des Leidens und des Kummers gedenke ich nicht mehr,
Wenn mein Schicksal unter anderen Sternen steht.
Nr. 15 - ArieCELIA
Wenn der Sommerregen
Auf die dürren Felder fällt,
Beleben Blätter sich
Und Blumen,
Verschönern Wald und Wiese sich
Und grünen wieder neu.
So fängt auch diese Seele
Neu zu atmen an
Nach langer Pein
In süsser Hoffnung und in Liebe.
geht abSZENE 11
Giunia alleinBegleitetes RezitativGIUNIA
Oh wie ist die Angst in einem Augenblick gewachsen.
Meines Unglücks unheilvolle Ahnung ist's.
Dem Blick des niederträchtigen Tyrannen
Ist der unbedachte Bräutigam
Vielleicht nicht mehr verborgen.
Schon hat er ihn zum Tod verurteilt.
Was soll ich tun in meiner Angst
Und in meinem Schrecken?
Was soll ich denken. Ich Elende, - ich zittere.
Ach nein, - kein Zögern mehr.
Ich will vor den Senat, zu seinen Füssen für den Liebsten
Mitleid und Gnade zu erflehen.
Wenn der Himmel heute
Das Ende des geliebten Bräutigams beschliesst,
Soll, wer ihn ersticht, auch mich durchbohren.
Nr. 16 - ArieGIUNIA
Ich gehe fort, ich eile,
Doch bricht dabei mein Herz.
Die Seele schwindet mir und nah' fühl' ich den Tod.
Ich tobe und erstarre, weine und quäle mich
Und doch kann ich nicht sterben.
Ach, wenn ich doch sterben könnt'
In solcher Qual.
Der tiefe Schmerz um den Geliebten,
Der mich bedrückt,
Macht an so einem Tag
Barmherzig selbst den Tod.
Geht abSZENE 12
Kapitol. Silla und Aufidio treten auf, gefolgt von Senatoren, Volk und Bewaffneten. Freudiger Gesang der LetzterenNr. 17 - ChorCHOR
So wie vor tausend Heeren
Der Ruhm Dein Haupt umkränzt,
So kröne Deine Stirn, die Furcht verbreitet,
Nun die Liebe.
Der unbesiegte Arm
Umfasse die, die Du verehrst.
Zu des Kriegers Lorbeer
Füge noch die Myrthe.
Giunia nahtRezitativSILLA
Patrizier und Senatoren.
Ich, der ich für Rom mich schlug,
Ich, der für Euch siegte,
Ich, der die Fackel des Bürgerzwists
Durch meinen Ruhm erstickte,
Ich, der ich durch mein Verdienst,
Den Frieden nun regieren seh' am Tiber,
Verlang' für alle meine Siege einen Preis von Euch.
GIUNIA
leise- Ewige Götter, steht mir bei! -
SILLA
Nicht vergessen ist der alte unheilvolle Hass
Zwischen Marius und Silla.
An diesem Tage streiche ich ihn ganz
Aus der Erinnerung.
Ein heiliges Band vereine ich mit seiner Tochter.
Das süsse Band besänftige des Vaters Schatten.
Ein Herrscher und ein Bürger
Sucht keinen anderen Preis für seine Mühen,
Trotz seines Lorbeers und des Ruhms.
GIUNIA
leise- Es schweigt der Senat und mit seinem Schweigen
Stimmt er dem Willen des Tyrannen zu. -
SILLA
Senatoren.
Euer allgemeines Einverständnis
Sehe ich in den Gesichtern ausgedrückt.
Die frohen Rufe,
Die ich ringsum schallen höre,
Sind ein sicheres Zeichen
Für die öffentliche Meinung.
Folge mir nun zum Altar.
GUNIA
Nichtswürdiger! Hinweg!
Zu einer solchen Feigheit
Lässt sich der Senat herab?
Von törichter, beleidigender Angst ist er ergriffen
Und willfährt der schändlichen Gewalt des Frevlers?
Ach, dass hier auch nicht einer ist,
Dessen Brust ein Römerherz umschliesst!
SILLA
Schweig. Und klüger reich' mir Deine Hand.
AUFIDIO
Durch meinen Mund
Verlangt's von Dir das ganze Volk.
SILLA
Also folge mir.
GIUNIA
Nahe Dich mir nicht,
Sonst stosse ich mir dieses Eisen in die Brust.
Will sich erdolchenSILLA
Der Stolzen nehme man den Stahl
Und meinem Willen folge sie.
SZENE 13
Cecilio mit blossem Schwert und VorigeRezitativCECILIO
Liebste, fürchte nichts.
SILLA
leise- Wen sehe ich? -
GIUNIA
leise- Oh Gott! -
AUFIDIO
leise- Cecilio? -
SILLA
Auf diese Weise wurde ich von Euch betrogen?
Meinem Verbot und dem Gesetz zum Trotz
Kehrte Cecilio zurück und wagt,
Mit Giunia vereint,
Zu trachten nach dem Leben des Diktators?
Man binde den Verwegenen.
GIUNIA
- Unbesonnener! -
Herr …
SILLA
Nichtswürdige! Schweig!
Ich fühle nur noch meinen Zorn.
zu CecilioMit der neuen Sonne, oh Verräter,
Wirst Du sterben.
SZENE 14
Cinna, mit blossem Schwert und VorigeRezitativSILLA
Wie? Cinna, Du?
Bewaffnet mit dem Schwert,
Verwirrt und unentschlossen?
CINNA
leise- Oh Himmel, alles ist verloren.
Irgendeinen Ausweg muss ich suchen
Aus der verhängnisvollen Lage, -
Zu meinem Staunen sah ich, wie Cecilio
Mit blossem Schwerte durch die Scharen
Einen Weg sich bahnte.
Die drohenden und stolzen Augen, seine Wut,
Liessen mich Verrat befürchten.
Dich vor dieser mörderischen Hand
Zu schützen und zu retten,
Fasste ich das Schwert
SILLA
Geh Freund, und decke auf,
Ob auch noch andere Falsche …
CINNA
Verlass Dich auf meine Treue, Herr,
Und fürchte nichts.
leise- Fast habe ich die Fassung
In dem heftigen Zusammenstoss verloren. -
SILLA
Den Verräter hier entwaffne man,
Aufidio.
GIUNIA
Haltet ein. Oh Gott.
CECILIO
Solang der Stahl mir bleibt,
Weiss ich, dass Du zitterst.
SILLA
Soweit reicht Dein Übermut?
GIUNIA
leise- Oh Götter! -
SILLA
Übergib die Waffe,
Oder ich …
CECILIO
Vergeblich hoffst Du das.
GIUNIA
Übergib sie, Teurer.
CECILIO
Feig zu sein, lehrt mich meine Braut?
GIUNIA
Widersetze Dich doch nicht!
CECILIO
Was willst Du?
GIUNIA
Beweise Deiner zarten Liebe.
CECILIO
Muss ich es?
GIUNIA
Du musst Dich meiner Treue
Und der Gunst des Himmels
Anvertrauen und hoffen.
Du beleidigst die gerechten Götter
Und die Braut, mein Liebster,
Wenn Du Zweifel zeigst.
CECILIO
leiseIch zittere vor Wut. Du sollst zufrieden sein.
Nimm! - Barbar!
SILLA
In das dunkelste Gefängnis
Werfe man den Schuldigen.
Nur noch ein wenig werde ich
Dich die verbotene Luft noch atmen lassen.
Den frechen Betrug bereuen
Wirst Du, lügnerische Frau, in Fesseln.
Nr. 18 - TerzettSILLA
Diesen wilden Stolz
Demütige ich heute.
CECILIO
Nichtswürdiger, hoffe nicht.
Ich werde stets derselbe sein.
GIUNIA
Hier, mein Bräutigam, ein Pfand,
Dass ich an Deiner Seite sterben werde.
SILLA
Eure frevlerische Hand
Verdient nur Ketten.
CECILIO, GIUNIA
Wenn mich meine Teure/mein Teurer liebt,
Geh ich froh ans Sterben.
GIUNIA, CECILIO, SILLA
Diese unerschrockene Beständigkeit ,
Diese treue Liebe
Zerreissen und verbrennen
Mir das Herz.
Meine unerschrockene Beständigkeit,
Meine treue Liebe
Trösten süss das Herz,
Lass mich nichts fürchten.
DRITTER AKTSZENE 1
Vorhalle zu den Kerkern. Cecilio in Ketten, Cinna, dann Celia und WachenRezitativCINNA
Den Anschlag, Freund, hast Du allein verhindert,
Nicht weit vom Kapitol versteckt
Waren Deine Freunde und die meinen.
Gefolgt von ihnen, wollt' ich durch die Scharen
Einen blutigen Weg mir bahnen, doch die Vorsicht
Mässigte die Wut. So vielen gegenüber, was konnte ich,
Von wenigen umgeben tun?
Der Himmel spornte mich zu neuer Kühnheit an.
Die Freunde lasse ich und schweigend fasse ich den Stahl,
Nähere mich dem Kapitol.
Als ich zum Streich ausholen will,
Fällt mein Blick auf Dich.
Das Eisen zitterte in meiner Hand .
Die Gefahr, in der Du warst, liess mir das Herz erstarren.
Ich verwirre mich und halte inne,
Weiss nicht, was ich sagen soll. Beinahe hätte der Tyrann
Das wohlgehütete Geheimnis aufgedeckt.
Dass er mich gehen liess,
Hat die Verwirrung und den Schmerz verdeckt.
CECILIO
Wenn ich schon sterben muss,
Will ich es endlich.
Es schreckt nuch nur … oh Götter … meine Braut …
CINNA
Fürchte nicht um sie.
Ich werde Euch beide retten,
CELIA
Giunia anzuhören.
Weniger aufgebracht und weniger stolz
Versprach der Bruder.
CECILIO
Giunia zu seinen Füssen?
Und warum?
CELIA
Besänftigen will sie seinen Zorn.
CECILO
Vergeblich wünscht sie das.
CINNA
Höre Celia. Dies ist vielleicht der Augenblick
Wo Du Dein Leben krönen kannst,
Durch ein erhabenes Werk.
CELIA
Was soll ich tun?
CINNA
Welcher Macht Du über Sillas Herz
Dich rühmen kannst, weiss ich aus Erfahrung.
Eile zu ihm und sage,
Dass der Himmel ihn verabscheut,
Rom ihn hasst, und das Verhängnis nicht mehr
Fern ihm ist, wenn er nicht in sich geht
Und vergisst die blinde, ungesunde Liebe.
CELIA
Der Bruder also …
CINNA
Der Tod erwartet ihn,
Wenn er diesem Rat nicht folgt.
CECILIO
Ach, alles, alles wird vergeblich sein.
CELIA
Versuchen werde ich das schwere Werk,
Wenn meine Bitten,
Die ersehnte Wirkung haben werden …
CINNA
Verspreche ich Dir zur Belohnung meine Hand.
CELIA
Der süsse Preis hebt meinen Mut.
Wie bin ich glücklich,
Wenn ich den Bruder aus so schrecklicher Gefahr
Erretten und so den Liebsten mir gewinnen kann.
Nr. 19 - ArieCELIA
Hör ich auch das Sturmgeheul
Und glänzt freundlich mir kein Stern,
Und bin von Entsetzen ich umgeben,
So bleiben Lieb' und Hoffnung doch
In meinem Herzen fest.
Geht abSZENE 2
Cecilio und CinnaRezitativCECILIO
Glaubst Du etwa, Freund,
Dass Celia es vermag,
Mild zu stimmen dieses Herz,
Das gewohnt ist an Vernichtung
Und das bisweilen trunken rasend
In ungerechtem Zorn mit Bürgerblut den Tiber rötet?
CINNA
Ich weiss, was Celia vermag,
Über diese unbeständige Seele.
Auch Giunia könnte ihn vielleicht
Besänftigen mit ihren Tränen.
CECILIO
Meine Braut!
Welch bitterer Beleidigung
Setzest Du sie vergeblich aus?
So schnell ändert sich ein Frevler nicht.
Dass den Pfad des Verbrechens er verlässt,
Den zu betreten ihm Gewohnheit ist seit langem,
Das bräuchte eines Gottes ganze Macht.
Doch nein. Kein Mitleid, keine Hoffnung bleiben mir.
Dir Freund, empfehl' ich die betrübte Braut.
Die Freundschaft soll zu ihrem Schutze wachen.
Nein. - Meines Feindes Opfer sei sie nicht.
Räche meinen Tod mit seinem Blute.
Mein zorniger Geist hat dann erst Ruh'
Im Reich der Toten.
CINNA
Jeder Gedanke an den Tod
Sei fern von Dir.
Wenn, gegen die Vernunft und Pflicht,
Silla auf seinem
Eigenen Ruin beharrt,
Soll er in äusserster Gefahr
Nur zittern und erbleichen.
Nr. 20 - ArieCINNA
Der Stolzen Herz
Füllt kalter Schreck,
Wenn Jupiter im Zorn die Blitze schleudert.
Der Hirte in des Lorbeers Schatten aber,
Der bebt nicht.
Vor Fesseln und Vernichtung
Sollen die Tyrannen zittern.
Der lacht dem Tod ins Angesicht,
Dessen Herz frei ist von Schuld.
Geht abSZENE 3
Cecilio, dann GiuniaRezitativCECILIO
Ach, mein bitteres Los
Hat keine Schrecken mehr für mich.
Ich stöhne in den unverdienten Ketten
Und weine nur um meine Liebste,
Nicht wegen meines Todes.
GIUNIA
Ach, süsser Bräutigam.
CECILIO
Oh Himmel!
Wie? Du hier?
GIUNIA
Meine Treue, unsere Liebe und meine Tränen
Öffneten mir den Weg
An diesen Schreckensort.
CECILIO
Doch Silla … ach sprich … und Silla?
GIUNIA
Der Elende
Lässt mich das letzte Lebewohl Dir sagen.
CECILIO
Also gibt es keine Hoffnung
Und kein Mitleid mehr für uns.
GIUNIA
Nur den Tod seh' ich an Deiner Seite nahen.
Was hab' ich nicht versucht bisher?
Weinen, Klagen, Seufzer, Kummer, Bitten
Sind umsonst bei diesem unmenschlichen Herz,
Das Deinen Tod will oder meine Hand.
CECILIO
Preis für mein Leben sein soll Deine Hand?
Wie wirst Du Dich entscheiden, Giunia?
GIUNIA
An Deiner Seite will ich sterben.
CECILIO
Deine schönen Tage möchtest Du für m ich beenden?
GIUNIA
Mit Dir sterben
Muss und will ich.
Zu diesem Schritt verpflichten mich
Die Gattenliebe und die Tochterpflicht.
SZENE 4
Aufidio mit Wachen und VorigeRezitativAUFIDIO
Bald musst Du meinen Schritten folgen,
Cecilio.
CECILIO
Sag mir …
Vielleicht zum Tode …
AUFIDIO
Ich weiss es nicht.
CECILIO
Die letzte Umarmung -
Meine Liebste … nimm.
GIUNIA
zu AufidioAntworte doch, oh Himmel!
AUFIDIO
Ich schweige und gehorche stets.
CECILIO
Den flüchtigen Augenblick,
Den uns das Schicksal gönnt,
Lass uns, Geliebte, nicht verlieren.
Ich gehe … lasse Dich.
In zarter Umarmung nimm meine Seele hin.
GIUNIA
Oh Götter! Ach, mein Liebster!
Wenn Marter töten kann,
Warum sterbe ich nicht jetzt in Deiner Nähe?
CECILIO
Dieses Weinen … oh Gott! … Ach, diese Tränen …
Du weisst nicht, wie in meiner Brust …
Ach, Liebste, Du sollst nur wissen,
Dass in diesem Augenblick mehr als der Tod
Mir Deine Tränen Kummer machen.
Nr. 21 - ArieCECILIO
Geliebte Augen,
Weinet nicht.
Ihr tötet mich,
Bevor ich sterben muss.
Um Euch wird
Diese treue Seele sein,
In Seufzer aufgelöst,
Kehrt sie zurück.
Geht mit Aufidio und Wachen abSZENE 5
Giunia alleinBegleitetes RezitativGIUNIA
Mein Bräutigam, mein Leben, wohin gehst Du, ach, wohin?
Ich folge nicht? Wer hält meinen Schritt zurück?
Wer sagt es mir?
Hier ist nichts um mich als Schreck und Stille.
Der Himmel selbst hört mich nicht mehr
Und verlässt mich. Ach, vielleicht,
Entflieht die Seele meines Liebsten schon,
Fliesst das Blut aus offenen Adern
Und verströmt sein Leben.
Aushauchen will ich, eh' er stirbt,
Mein Leben auf dem Körper, der verblutet!
Was zögere ich, verzweifelt, wie ich bin!
Weshalb bleibe ich?
Den matten Klang der schwachen Stimme höre ich,
Wie er mich zu sich ruft. Oder scheint es mir nur so?
Ach, mein Liebster,
Wenn dies die letzten Seufzer Deiner Lippen sind,
Laufe ich und eile, dort zu fallen, wo Du fielst.
Nr. 22 - ArieGIUNIA
In düsteren Gedanken an den Tod
Scheine ich den Gefährten schon entseelt zu sehen,
Wie er mit eisiger Hand
Mir die vom Blut noch warme Wunde weist
Und sagt: „Was zögerst Du zu sterben?“
Ich wanke, verlösche, sterbe schon.
Und eilig folge ich dem Schatten
Des angebeteten dahingeschiedenen Bräutigams.
Geht abSZENE 6
Halle. Silla, Cinna. CeliaRezitativSILLA
Nicht mehr Celia und Cinna - Rom und der Senat sollen
Richter sein über meine Gerechtigkeit
Und die Verbrechen anderer.
CINNA
Cecilios Leben kann Dir nützlich sein,
Mehr als Du denkst.
CELIA
Deine Lebenstage …
Giunia verzweifelt. ? …
Ihr Gefährte, tot geglaubt,
Ist ihren Armen nun gegeben.
SILLA
Ich weiss es, dass ich immer mehr
Der Gegenstand des allgemeinen Hasses bin.
Doch will ein betrogener Diktator Rache
Und er wird sie haben.
Müde bin ich, stets zu fürchten und zu zittern.
Das bewegte, unsichere Leben,
Voll bitterer Angst, ist ein Leben
Um in jedem Augenblick zu enden.
CELIA
Du hoffst vergebens,
Wenn Du in blutiger Zerstörung
Sicherheit und Ruhe finden willst.
CINNA
Sehen wirst Du, wie die wutentbrannte Giunia
Die Strassen füllt mit ihren Tränen, ihren Klagen.
Die Tränen, die an ihren Wimpern hängen,
Könnten in der Brust der Feinde wecken …
SILLA
Besser als Du denkst, seh' ich die Gefahr für mich.
Liebe, Ruhm, Rache, Zorn und Furcht
Fühle ich mein Herz bestürmen.
Alles will die Vorherrschaft.
Liebe lockt und schadet meinem Ruhm,
Zorn entflammt mich, eisig fasst mich kalte Furcht.
Die Rache treibt mich an und droht.
Wilden Empfindungen zur Beute
Und zur Verteidigung bereit,
Ist Sillas Herz besiegt nun oder Sieger?
Die erhabene Tat am Ende soll entscheiden,
Ob des Ruhmes Lorbeer ich verdiene.
Der meine Stirne überschattet.
Rom und die Welt will ich als Richter.
SZENE 7
Giunia mit Wachen und VorigeRezitativGIUNIA
Was forderst Du von Giunia, feige Seele?
Was willst Du? Einen nichtswürdigen Verräter
Dulden Rom und der Senat
Fühllos und stumpf in solchem Masse?
Patrizier und Senatoren,
Rache und Mitleid verlange ich von Euch.
Um Mitleid fleht die unglückselige Braut
Und Rache will sie für den entseelten Schatten
Eines Bürgers, des Gefährten,
Der noch in seinem Blute liegt.
SILLA
Beruhige den Zorn, trockne Deine schöne Wimper.
Unnütz sind die Tränen und umsonst die Raserei.
Vor dem Angesicht von Rom
Will ich Dich als Zeugin meiner Grausamkeit
Und der Verbrechen.
Sillas Herz wirst Du an dieser Stätte kennenlernen.
SZENE 8
Cecilio, Aufidio, Wachen und VorigeRezitativGIUNIA
leise- Mein Bräutigam? -
CINNA
leise- Was sehe ich? -
CELIA
leise- Welch ein Geheimnis? -
CECILIO
leise- Was ist? -
SILLA
Hört mich, Rom, Senat und Volk!
Ich führe einen Bürger vor,
Der geächtet ist und der es heimlich wagte,
Das Gesetz zu brechen.
Er ist es, der, bewaffnet mit dem Schwert.
Neben meinen Wachen, es versuchte,
Am Kapitol den Herrscher zu ermorden.
Keine Gnade sucht er, vielmehr fürchtet er mich nicht,
Beschimpft mich und verachtet mich.
Dies hier ist der Augenblick, der über ihn entscheidet.
Silla übt die Macht hier aus,
Die Rom seinen Armen anvertraute.
Giunia höre mich. Wenn sie es kann, soll sie mich beleidigen.
Jener verruchte Silla, der hochmütige Tyrann,
Den alle hassen, will,
Dass Cecilio leben soll und Dein Gatte sei.
GIUNIA
Es ist wahr? … mein Leben …
CECILIO
Treue Braut … welch eine Freude,
Welch ein Wandel!
AUFIDIO
- Was ist geschehen? -
CELIA
Gepriesen seien die Götter.
CINNA
Voll Staunen stehe ich.
SILLA
Patrizier und Senatoren.
Ich will, dass alle,
Deren Namen dieses Blatt enthält
- Es sind die Namen der verbannten Bürger, -
Zur heimatlichen Schwelle wiederkehren.
CECILIO
Wie bist Du nun des hohen Glanzes würdig,
In dem Du stehst.
GIUNIA
Dich zu bewundern,
Siehst Du endlich mich gezwungen.
AUFIDIO
leiseAch, meinen sicheren Untergang
Sehe ich voraus.
SILLA
Warum ist Cinna nur von mir getrennt,
Mitten in der allgemeinen Freude
Und bei so viel Lob, das alle
Silla ehrlich spenden.
Er seufzt und schweigt.
Verstrickt in düstere Gedanken?
Teurer Freund …
CINNA
Ach,lass es doch, mich so zu nennen.
Durch mein Werk war Cecilio zurückgekehrt nach Rom.
Ich lief zum Kapitol, Dich zu durchbohren
Und bewaffnete, nicht fern,
Die Hand von hundert Wagemutigen.
Den Zwist entfachte ich allein.
Ich war die Gefahr für Dich.
SILLA
Du hast genug gesagt
Und alles habe ich verstanden.
CELIA
leise? Süsse Hoffnung, lebe wohl. -
SILLA
Nun fühlst Du die Pein
Jeder heimlichen Verschwörung.
Celia, meine Schwester, werde Deine Braut.
GIUNIA
- Welche Tugend! -
CECILIO
- Welch grossmütiges Herz. -
CINNA
Oh gerechter Himmel!
Schamröte brennt auf meinem Angesicht.
Wie kann ich …
SILLA
Die Gewissensqual ist mir genug.
Ich vergesse alles.
CELIA
leise- Wie froh bin ich. -
Endlich der Preis für die beständige Liebe!
Zeige Dich der Gnade,
Der Tugend und des Mitleids dieses Herzens würdig.
CINNA
Hier meine Hand.
SILLA
Welcher meiner Siege kann diesem g1eichen,
Ewige Götter?
AUFIDIO
Lass mich zu Deinen Füssen
Gnade von Dir erflehen.
Meinen Rat, das schmeichlerische Lob
Bereu ich nun …
SILLA
Erhebe Dich, Aufidio.
Ich verzeihe Dir.
So werde nun das hohe Werk von mir gekrönt.
Freunde, Römer!
Von meinem Haupte nehme ich
Den siegreichen, ehrenvollen Lorbeer.
Nicht mehr Herrscher bin ich,
Ich bin Euresgleichen.
Die Freiheit sei dem Vaterlande hier gegeben,
Der Bürger Tränen sollen nun getrocknet werden.
Ach nein. Das höchste Gut ist nicht die irdische Grösse.
Mutter ist sie nur von Kummer,
Angst, Betrug, Verrat.
Führt sie doch, tödlich blind,
Eher ab vom Weg des Mitleids und des Rechts.
Aus eigener Erfahrung weiss ich,
Dass Unschuld und des Herzens Tugend
Der Seele willkommener sind als lügnerischer Glanz.
Nr. 23 - FinaleCHOR
Der grosse Silla!
Durch ihn schöpft Rom nun freudig neuen Atem.
Heute macht er sich zum Sieger,
Erhaben über jeden Ruhm und jedes Lob.
CECILIO, GIUNIA
Was für ihn ein herbes Los,
Ist für mich Glückseligkeit.
SILLA, CINNA
Die Freiheit Roms zerreisst die Fesseln.
CHOR
Der grosse Silla!
Heute macht er sich zum Sieger,
Erhaben über jeden Ruhm und jedes Lob.
CECILIO, GIUNIA, CINNA, SILLA
Tugend und Mitleid
Siegten über niedere Liebe.
Das eigene Herz zu überwinden,
Welcher Sieg kommt diesem gleich?
CHOR
Es jubelt Rom am Kapitol
Froh und freudig Silla zu.
Heute macht er sich zum Sieger,
Erhaben über jeden Ruhm und jedes Lob.